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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
Autoren: Jeffrey Thomas
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gefährliche Stadt.«
    »Das war sie immer. Und wird es immer sein.«
    Ich nickte und machte zum Spaß einen Schmollmund. »Ich hatte gehofft, du würdest mir erzählen, was du eigentlich geschrieben hast, dass es den Schöpfer so wütend gemacht hat.«
    »Dazu braucht es nicht viel.«
    Ich wandte meinen Blick von der weißen Aussicht ab, die sich mir hinter der Tür bot. Dann wurde ich plötzlich von einem Gedanken erfasst und sah ihn direkt an: »Frank … würdest du mein Tagebuch mit zurück nach Oblivion nehmen? Du hast es ja ohnehin schon die ganze Zeit mit dir herumgetragen, stimmt’s? Du könntest es für mich zu Necropolitan Press bringen. Dann könnten sie es direkt in Oblivion veröffentlichen …«
    »Das ist eine tolle Idee … sicher, das mache ich gerne. Aber – warte mal … wenn die Behörden je eine Ausgabe in die Finger kriegen, dann wissen sie, wo du bist. Und wohin ihr alle geflohen seid.«
    »Stimmt. Hmm … äh … ein paar Veränderungen könnte ich ertragen, wenn du Lust dazu hast. Solange du ein sensibler Lektor bleibst und meinen Stil nicht verunstaltest.«
    Er lächelte. »Keine Sorge. Ich kann zu übergriffige Lektoren auch nicht leiden. Klar, gern. Es wäre mir ein Vergnügen – und eine Ehre. Und irgendwie finde ich einen Weg, dir ein paar Exemplare zukommen zu lassen. Wenn du nicht in Pluto bleibst, musst du nur sicherstellen, dass du eine ausreichende Spur hinterlässt, damit ich dir auch folgen kann.«
    »Das werde ich.« Grinsend klopfte ich ihm auf die Schulter. »Und mach dir keinen Kopf, falls es eine Weile dauert, bis du mir die Exemplare schicken kannst – angenommen, sie wollen es tatsächlich veröffentlichen. Es ist ja nicht so, als hätten wir nicht genügend Zeit, uns wiederzufinden, früher oder später.«
    »Und ich will auch deinen Roman lesen, wenn er fertig ist. Ich komme in ungefähr einem Jahr hierher zurück. Wie wäre das? Wir verabreden uns für nächstes Jahr. Dann nehme ich deinen Roman mit zu Necropolitan, wenn ich nach Oblivion zurückkehre, falls du schon damit fertig bist.«
    »Klingt nach ‚nem Plan. Aber vergiss bei all dem bloß nicht, auch ein eigenes Werk zu schreiben.«
    »Wir werden sehen.« Sein Lächeln wirkte, als habe die kalte Luft es eingefroren. »Wir werden sehen, ob meine Muse mit dem Rest von mir wiedergeboren wurde.«
    Nach dieser kurzen Verzögerung ihrer Abfahrt werden wir anderen nun also zusehen, wie sich die dunkle Gestalt der Kathedrale über die eisige, gefrorene Ebene bis hinter Gehennas Stadtmauern entfernt und schließlich in einem höhlenartigen Schlund in einer Felsenklippe verschwindet, um mit einer einsamen Menschenseele als Passagier wieder in die Unterwelt hinabzufahren. Dies sind die letzten Zeilen, die ich in dieses Buch schreiben werde. Aber ich empfinde es als äußerst passend – und das habe ich auch Frank gesagt –, dass es in seinen Armen zurückreist, wo doch die Worte darin so lange vom Einband seiner Haut umschlossen waren.
    Anstatt bestimmte Schlüsselstellen zu streichen, habe ich ihm erlaubt, sie zu verändern, sofern es nötig sein sollte. Beispielsweise gehen wir nicht wirklich nach Pluto. Und ich war auch nie in Gehenna. Aber ich habe genug über diese beiden Orte gehört, um sie beschreiben zu können. Sie dienen als nützlicher Ersatz, um unsere wahren Ziele zu verschleiern. Und da er nach Oblivion zurückkehren will, hat er, damit er nicht selbst gejagt oder gefoltert wird, um ihm Informationen über unseren wahren Aufenthaltsort zu entlocken, das wenig subtile Pseudonym Frank Lyre angenommen, das er in diesem gesamten Buch anstelle seines richtigen Namens einsetzen wird, den ich bislang benutzt habe.
    Der Name meiner Geliebten ist auch nicht wirklich Chara. Lyre wird sie aber Chara nennen, wenn er mein bescheidenes Manuskript ein wenig aufpoliert und überarbeitet.
    Und er wird Anspielungen auf meinen eigenen Namen entfernen. So sehr ich mich auch nach dem in meiner Vorstellung fantastischen Ruhm einer Veröffentlichung gesehnt habe, nach Lesern, die sich ungeduldig auf die von mir verfassten Worte stürzen, so sehr möchte ich doch auch unsere wahre Identität schützen, damit uns niemand aufspürt. Wir werden neue Identitäten annehmen. Wir werden uns neu erfinden. Uns selbst neu erschaffen. Schließlich verwenden viele Schriftsteller Pseudonyme. Denken Sie nur an Samuel Langhorne Clemens. Lyre wird also sämtliche Stellen aus diesem Buch streichen, an denen mein richtiger Name fällt. Mein
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