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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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nickte. »Bisher haben wir nichts«, sagte er. »Die Spurenlage ist den Technikern zufolge nicht sehr ermutigend. Vermutlich gab es gar keinen Zusammenprall. Wir haben zwei Zeuginnen, die in einiger Entfernung hinter Ekholm fuhren. Sie sagen, dass Ekholms Fahrzeug von einem anderen Wagen von der Straße gedrängt wurde, ohne dass es zu einer Berührung gekommen wäre. Das würde bedeuten, dass wir kaum darauf hoffen können, Teile des anderen Wagens zu finden.«
    Joentaa nickte.
    »Die Frauen können keine Marke benennen, sie sagen nur, dass das Auto ungeheuer schnell fuhr.«
    »Ein Licht. Sehr hell. Dann ein Blitz«, sagte eine Stimme in Joentaas Rücken. Er drehte sich um und sah in die müden, gehetzten Augen von Lasse Ekholm.
    »Das hellste Licht, das ich je gesehen habe«, sagte Ekholm. »Es gab keinen Zusammenprall, es war alles lautlos … und langsam, sehr langsam. Es waren sicher nur Sekunden, aber ich hatte den Eindruck, dass es … lange dauert …«
    »Lassen Sie uns ins Haus …«
    »Nein, nein«, sagte Ekholm. »Hier draußen ist es gut.«
    »Schläft Kirsti?«, fragte Joentaa.
    »Ich weiß nicht«, sagte Ekholm. »Ich denke, nicht. Nein.«
    »Herr Ekholm«, sagte der andere uniformierte Polizist, den Joentaa nicht kannte. »Können Sie sich an etwas erinnern, das uns hilft, den Unfall zu rekonstruieren? Zwei Frauen, die hinter Ihnen fuhren, sagen, dass Sie von der Straße gedrängt wurden …«
    »Ich habe nur ein Licht gesehen. Und dann den Blitz. Das Licht war hinter uns, der Blitz neben uns, und dann sind wir in einem anderen Raum gewesen, und dann gab es einen Aufprall.«
    »Gegen den Baum«, sagte Peltonen.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Doch. Sie sind mit Ihrem Wagen in den Graben geraten und gegen einen Baum geprallt«, sagte Peltonens Kollege.
    Ekholm nickte. »Ich hatte Anna angesehen. Kurz bevor ich das Licht sah, habe ich …«
    »Herr Ekholm?«, fragte Peltonen.
    »Wir … hatten Annas CD gehört, und ich hatte sie gebeten, diese Melodie zu summen, die …«
    »Halten Sie es für möglich, dass Sie ein Fabrikat benennen könnten …«, sagte Peltonen.
    »… die keinen Sinn ergeben hat … für mich wenigstens …«
    »Vielleicht stellt sich noch eine Erinnerung ein … mit einigem Abstand …«, sagte Peltonens Kollege.
    »… aber Anna hat sie gesummt, also wird es wohl eine Melodie gewesen sein … denke ich.« Ekholm drehte sich ab und ging zurück zum Haus.
    »Herr Ekholm«, rief Peltonens Kollege, und Joentaa sagte:
    »Morgen. Alles Weitere morgen.«
    »Ja«, sagte Peltonen.
    »Ich gehe noch mal rein«, sagte Joentaa.
    »Ja … Kimmo, noch eine Sache will ich dir sagen … die das alles noch trauriger macht … irgendwie …«
    »Ja?«
    »Das Mädchen … nach ersten Einschätzungen des Gutachters und der Techniker war sie nicht angeschnallt.«
    Joentaa nickte. Ein Licht, dachte er. Und dann ein Blitz. Und dann ein Schweben im Raum. Die beiden verabschiedeten sich und stiegen ein, und Joentaa sah dem langsam fahrenden Polizeiwagen nach, das Blaulicht war erloschen.
    Ein Schweben im Raum, dachte er, ein Aufprall. Und eine Melodie, die Lasse Ekholm nie kennen würde, weil nur Anna sie gekannt hatte.

ZWEI MONATE FRÜHER – MÄRZ
9
    Der große Speisesaal des Hotels lag im Dämmerlicht, die Servietten waren so weiß wie die Teller, der Wein trug ein Prädikat, und das Menü hatte fünf Gänge.
    Markus Sedin saß neben Bergenheim und De Vries. Dessen Frau saß ihm gegenüber. Das Klingen der Gläser, das Klirren der Essbestecke, das Schmatzen. Stimmengewirr, etwas ausgelassener als am Nachmittag. Die Gattin des gescheiterten belgischen Bankdirektors, Elena De Vries, war eine Spur überschminkt und hatte eine schöne Stimme, mit der sie ab und an Fragen stellte. Sedin antwortete.
    Irgendwann stand De Vries auf, schlug mit einem Messer gegen ein Glas und räusperte sich. Das Gerede und Gemurmel ebbte ab, und De Vries bedankte sich bei allen für ihr Kommen und für den Zusammenhalt, den er spüre und der ihm die große Hoffnung gebe, dass die Fusion der Bankhäuser Norda und De Vries, über Ländergrenzen hinweg, gewissermaßen in Form eines Brückenschlages durch Europa, alle in diesem Saal zu neuen Ufern führen werde.
    Sedin senkte den Blick und dachte an Taina, die im Wohnzimmer auf dem Sofa saß oder in der Küche am Tisch und eine neue Flasche geöffnet hatte und sich ohne jedes Pathos, ohne dass es zumindest für eine leichte Sekunde lang dekadent gewirkt hätte, mit Champagner
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