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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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Bewegung den Brechreiz linderte oder ihn zumindest davon ablenkte. Eine Sekunde noch oder zwei, dann hätte er sich auf die frisch gewienerten Schuhe des Jungen aus der Asienabteilung übergeben müssen.
    Er stand in einer Traube von Menschen an der Bar. Der Barkeeper verstand nicht, was er bestellen wollte. Neben ihm stritten zwei junge Frauen. Eine schlug der anderen ins Gesicht. Er verstand die Sprache nicht, aber er hatte den Eindruck zu verstehen. Eine fremde, vertraute Sprache.
    »Pussybitch«, rief eine der beiden, das war das erste Wort, das er wirklich verstand. Ihr Blick fiel auf ihn, und sie lachte, als sie sein vermutlich irritiertes Gesicht sah.
    »Nicht du«, sagte sie in einem Englisch, das irgendeinen schweren Akzent mit sich herumtrug.
    »Äh, nein. Ich bin ja …. ein Mann«, sagte er.
    Der Barkeeper reichte ihm ein Tablett mit einer Flasche und Gläsern, und die Frau begann wieder zu lachen. Ein hysterischer Anfall, es dauerte, bis sie sich beruhigte.
    »Wer bist du denn?!«, fragte sie.
    »Ich?«
    »Du … mal … hierhersetzen …«, sagte sie.
    Er sah sie an.
    »Hier. Mal setzen. Zu mir.«
    »Ich muss die Flasche rüberbringen. Zu meinen Kollegen.«
    »Aha?«, sagte sie.
    »Dahinten«, sagte er und deutete auf Bergenheim, Markkanen, De Vries und den Jungen aus der Asienabteilung.
    »Aha«, sagte sie noch einmal.
    »Ja«, sagte er.
    »Dann … du komm … noch mal zurück, wenn du … damit fertig bist?«, fragte sie, und er spürte ihre Blicke im Rücken, während er lief, um die Champagnerflasche und das Tablett mit den Gläsern zu den anderen zu bringen. Bergenheim erwartete ihn jubelnd, mit offenen Armen, stieß einen Toast aus und schenkte ein. Sedin leerte das Glas in einem Zug und torkelte zurück zur Bar. Stimmen in seinem Rücken, aber er hörte nicht, was sie sagten. Sie war tatsächlich noch da. Sie saß auf dem Barhocker, auf dem sie gesessen hatte.
    »Da bist du ja … wirklich!«, rief sie.
    »Klar«, sagte er. Setzte sich.
    »Gibst du mir was aus?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte er. »Was denn?«
    Sie bestellte zwei Schnaps mit Cola, sie tranken aus Strohhalmen, und er fühlte eine vage Erinnerung, einen Gedanken, der nah war, ohne näherzukommen. Sie lächelte ihn an, während sie trank, und er dachte eine Weile darüber nach, was er sagen könnte. Er fragte sie schließlich, woher sie komme, und verstand die Antwort nicht.
    »Hungary«, schrie sie noch einmal.
    »Ah. Ok.« Trifft ein Finne eine Ungarin in Belgien, dachte er vage. Sie roch nach Erdbeeren. Er fragte, ob sie in Ostende Urlaub mache.
    »Nein, ich mache das hier.«
    Er sah sie fragend an.
    »Ich … hier«, rief sie und deutete auf die Käfige.
    »Ah«, sagte er. »Du … tanzt hier? In diesem … Club?«
    Sie nickte, offensichtlich erleichtert, dass die Verständigung so gut gelang. »Ist ganz ok.«
    »Verstehe«, sagte er.
    »Aber jetzt habe ich … Schluss machen. Verstehst du? So … Feierabend.«
    Er betrachtete die Frauen in den Käfigen, und nach einer Weile blieb sein Blick auf einer von ihnen haften, sie umschloss mit beiden Händen fest die Gitterstäbe, und für einige Momente hatte er das sichere Gefühl, dass sie rauswollte, raus aus dem Käfig, sie sah ihn an, um Hilfe flehend, aber dann bewegte sie sich wieder im Rhythmus der Bässe und im Fluss der Musik. Sedin wendete sich ab und wieder der Frau zu, die auch irgendwann an diesem Abend in einem der Käfige gestanden hatte und die ihm jetzt gegenübersaß.
    »Wie heißt du?«, fragte sie.
    »Markus«, sagte er.
    »Réka«, sagte sie.
    Ein Kind, dachte er plötzlich. Sie lachte ihn an, wie Ville manchmal lachte, wenn er frech sein wollte.
    »Ja«, sagte er.
    »Mit einem Strich über dem e. Capito?«
    »Äh … was?«
    »Über dem e von Réka ist ein Strich. Von links unten … so nach … oben.« Sie zog mit einer Hand eine imaginäre Linie in die Luft. »Hier links, da rechts. Capito?«
    »Ja, verstehe.«
    »Das ist ungarisch. Réka. Ich bin so … ungarisch-rumänisch. Also … beides, eine Ungarin aus Rumänien. Capito? Und ich kann nicht lesen und nicht schreiben. Nur meinen Namen.«
    »Aha«, sagte er und fragte sich, ob sie ihn veralbern wollte. Vermutlich.
    »Réka«, sagte sie noch einmal.
    »Schöner Name«, sagte er und fand ihn tatsächlich schön, der Barkeeper schob ihnen zwei Gläser entgegen, und als er gerade sein Glas gegen ihres stieß, stand Bergenheim neben ihm und sah ihn von der Seite an. »Wir hauen ab«, sagte er.
    »Äh …
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