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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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betrank. Er hatte immer gedacht, Schaumwein sei ein Getränk für fröhliche Anlässe, aber Taina lachte nicht und wirkte auch nicht unglücklich, ein Gesicht ohne Ausdruck. Ville schlief, und in der Nacht, irgendwann, würde er im Schlafzimmer stehen und niemanden finden, weil sein Vater in Ostende war und Taina im Wohnzimmer einschlafen würde.
    Das hatte Sedin vergessen, er hatte Taina darum bitten wollen, unbedingt im Schlafzimmer einzuschlafen, aber er hatte vergessen, ihr das zu sagen. Er hörte De Vries erzählen, was auch immer, und er dachte darüber nach, ob er noch mal bei Taina anrufen sollte. Vielleicht würde das Klingeln Ville wecken, während Taina weiterschlief. Er stellte sich Ville vor, der schlaftrunken und verängstigt vor dem Telefon stehen und nicht wissen würde, ob er rangehen sollte.
    »Schlaf weiter«, würde Markus Sedin sagen, falls Ville tatsächlich abnehmen würde. »Schlaf weiter.«
    De Vries hatte seine Rede beendet und sich wieder gesetzt, und die Kellnerinnen und Kellner brachten einen Zwischengang, ein Limonenparfait. Limone, dachte Sedin, kommt geil, und ohne es zu bemerken, hatte er offensichtlich gelacht, denn Elena De Vries fragte ihn, worüber er sich amüsiere. Er suchte ihren Blick, der ebenso verändert war wie ihre Wortwahl, die Situation hatte eine andere Farbe angenommen, die Stimmen wurden lauter und ausgelassener, die Lachsalven ohne Deckung abgefeuert, und Bergenheim legte sein Jackett ab, schenkte Rotwein nach und prostete ihm zu.
    Dann kam das Hauptgericht, ein großes, gutes Stück Fleisch mit Gratin und dunkler feiner Soße, und der Nachtisch, ein Mangosorbet, was Bergenheim dazu veranlasste, über den Unterschied zwischen Sorbet und Parfait zu referieren, und dann gingen die Nüchternen schlafen, und die mindestens Angetrunkenen ließen sich nachschenken. Markkanen hatte sich ihrem Tisch genähert und schließlich den Mut gefunden, sich neben Elena De Vries niederzulassen, sie saßen in einer kleinen Gruppe, rote Weinflecken auf den weißen Tischdecken, Markkanen lachte schallend, mit hochrotem Kopf, er wirkte glücklich, und Sedin freute sich unwillkürlich für ihn, freute sich, einen glücklichen Markkanen zu sehen und nicht den geduckten, zerzausten, dem am Vormittag die Power-Point-Daten abhandengekommen waren.
    Markkanen glücklich, entspannt, Bergenheim grinste, De Vries hatte die Hand seiner Frau genommen und lächelte entrückt. Sedin sah alle an, einen nach dem anderen, und fühlte, wie sich der Rausch über seine Gedanken legte und sie endlich ganz auszufüllen begann. Er bestellte einen weiteren Espresso. Führte die Tasse zum Mund, hob den Kopf an und schlürfte ruckartig den Bodensatz, den Zucker, in sich hinein, und De Vries erzählte von dem Mann, einem Holländer angeblich, der erfroren war, hier, in Ostende, am Strand, im Frühling.
    »Das gab’s noch nie, noch nie«, sagte er
    »Na ja, Frühling«, sagte seine Frau und deutete auf das, was hinter den Fenstern lag, im Winterdunkel.
    »März ist Frühling«, beharrte De Vries.
    Bergenheim schlug vor, die Lokalität zu wechseln.
    »Ich wäre dabei«, sagte ein junger Kollege aus der Asienabteilung, ein schüchterner Junge, der kaum merklich zusammenzuckte, vermutlich selbst überrascht vom forschen, euphorischen Ton in seiner Stimme.
    »Noch nie, noch nie«, sagte De Vries.
    »Aufbruch«, sagte Bergenheim.
    »Ich weiß da was«, sagte De Vries.
    »Gute Nacht, die Herren«, sagte dessen Frau.
    Dann traten sie durch die breite Schwingtür ins Freie, Sedin schloss sich, nach kurzem Zögern, als Letzter an und ging hinter den anderen her. Bergenheim, De Vries, der junge Kollege aus der Asienabteilung, Markkanen. Sie gingen gebückt über die Uferpromenade, frostiger Wind wehte.
    »Oh Mann, was für eine Scheißkälte«, sagte Markkanen und lächelte.
10
    Ein Meer aus zuckenden Körpern. De Vries musste schreien, um die Musik zu übertönen, er schrie, das sei einer der ganz angesagten Clubs in Ostende. Ein von Wasser umgebener Glasbau. Das Rauschen der Wellen, wenn die Musik Pause machte. Aber vielleicht bildete sich Sedin das Meeresrauschen nur ein. Die Musik sendete dumpfe, monotone Schläge aus, die ins Innere fuhren, ohne wehzutun. Auf Podesten und in Käfigen tanzten Frauen.
    »Hol mal einer was zu trinken«, rief Bergenheim.
    »Mache ich«, sagte Sedin.
    »Flasche Schampus«, rief Bergenheim.
    Sedin nickte und lief. Er war erleichtert, laufen zu können, er hatte den Eindruck, dass die
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