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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der
Autoren: Vladimir Sorokin
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sagt auch nichts mehr. Uns Übrigen hat es genauso die Sprache verschlagen. Zao mit der angebrochenen Flasche Sezuan-Sekt steht wie eine Salzsäule. Urussows Haus auf der Pjatnizkaja … Haus ist ein höchst unpassender Ausdruck dafür: Es ist ein Palast! Mit Säulen aus gebändertem Marmor, Vasen und Skulpturen auf dem Dach, durchbrochenen Gittern, Zerberussen mit Hellebarden, steinernen Löwen. Im Inneren bin ich nie gewesen, doch darf man vermuten, dass der Luxus dort noch größer ist als an der Fassade. Im Empfangszimmer habe Urussow einen gläsernen Fußboden, heißt es, mit einem Haifischbecken darunter. Die Haie getigert. Mit einem Wort: raffiniert!
    »Das Haus auf der Pjatnizkaja, soso«, sagt der Alte und verengt die Augen zu einem Spalt. »Wie kommen wir zu einem solch großzügigen Geschenk?«
    »Es ist kein Geschenk. Ich verstehe uns als Geschäftspartner. Ihr kriegt mein Haus, und ich genieße euren Schutz. Wenn der Bannfluch eines Tages aufgehoben ist, werde ich mich noch erkenntlicher zeigen. Ohne zu knausern.«
    »Ein ernstzunehmender Vorschlag«, sagt der Alte, die Augen immer noch zusammengekniffen. »Er wäre zu diskutieren. Wer möchte etwas dazu sagen?«, fragt er mit einem Blick zu uns in die Runde.
    Der erfahrene Wosk hebt die Hand.
    »Nein, zuerst würde ich gerne die Jüngeren hören«, sagt der Alte und schaut sich um. »Was haltet ihr davon?«
    Es meldet sich der zungenfertige Potyka.
    »Wenn Ihr erlaubt, Ältester …«
    »Sprich, Potyka!«
    »Mit Verlaub, ich meine, es ziemt sich für uns nicht, einem toten Mann Schutz zu gewähren. Denn einem toten Mann kann es egal sein, ob er beschützt wird oder nicht. Er braucht keinen Schutz, er braucht einen Deckel auf den Sarg.«
    Eine schwere Stille hängt im Raum. Grabesstille. Das Gesicht des Grafen verfärbt sich grün. Der Alte gibt einen schmatzenden Laut von sich.
    »Da hast du es, Graf! Und bedenke, so spricht die Jugend von heute. Was erst eingefleischte Opritschniki von deinem Vorschlag halten, kannst du dir vielleicht denken?«
    Der Graf leckt sich über die fahl gewordenen Lippen.
    »Hör zu, Boris. Du und ich, wir sind keine Kinder mehr. Toter Mann und Deckel auf den Sarg, was soll das Gerede? Ich habe den Zorn des Gossudaren auf mich gezogen, gut, aber das wird nicht ewig so sein! Der Gossudar weiß doch genau, wie viel ich für Russland getan habe! Lass ein Jahr vergehen, und er wird mir vergeben! Und ihr habt einen guten Schnitt gemacht!«
    Der Alte runzelt die Stirn.
    »Du meinst, er wird dir vergeben?«
    »Da bin ich mir sicher.«
    »Und ihr, Opritschniki, wie seht ihr das? Wird der Gossudar dem Grafen vergeben oder nicht?«
    »Niema-a-als!«, antworten wir im Chor.
    Der Alte hebt die kräftigen Hände.
    »Wie du siehst, Graf …«
    »Jetzt pass mal auf!« Der Graf ist aufgesprungen. »Schluss mit der Afferei! Mir ist nicht nach Scherzen zumute! Ich habe fast alles verloren. Aber bei Gott: Eines Tages werde ich alles wiederkriegen! Alles!«
    Seufzend steht der Alte auf, Iwan stützt ihn.
    »Du bist mir ein rechter Hiob, Graf. ›Eines Tages werde ich alles wiederkriegen!‹ Nichts kriegst du wieder. Und weißt du, warum? Weil du deine privaten Gelüste über das Wohl des Staates gestellt hast, darum!«
    »Hüte deine Zunge, Boris!«
    »Ich denke nicht daran«, sagt der Alte und tritt nahe vor den Grafen. »Was glaubst du, weswegen der Gossudar dir zürnt? Weil du am liebsten fickst, wenn es brennt? Weil du seine Tochter mit Schande bedeckst? Nein. Nicht deswegen! Du hast Staatsvermögen angesteckt und ruiniert. Hast also eine Handlung wider denStaat begangen. Und wider den obersten Staatsherrn. Den Gossudaren.«
    »Das Haus gehört der Bobrinskaja selbst! Was hat der Gossudar damit zu schaffen?!«
    »Er hat damit zu schaffen, Schwachkopf, dass wir alle Kinder des Gossudaren sind, und all unser Hab und Gut gehört ihm! Das ganze Land ist seines! Wusstest du das etwa nicht? Du scheinst nicht viel gelernt zu haben in deinem Leben, Andrej Wladimirowitsch! Du warst des Gossudaren Schwiegersohn, und jetzt bist du ein Meuterer. Und nicht bloß das. Du bist ein Schwein. Ein stinkendes Aas.«
    In den Augen des Grafen entflammt die kalte Wut.
    »Wie bitte? Was sagst du Drecksack da …«
    Der Alte steckt zwei Finger in den Mund und stößt einen gellenden Pfiff aus. Wie auf Kommando stürzen sich mehrere junge Männer auf den Grafen, halten ihn fest.
    »Ins Becken mit ihm!«, befiehlt der Alte.
    Die Opritschniki reißen dem Grafen das
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