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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der
Autoren: Vladimir Sorokin
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Laken vom Leib und schleudern ihn ins Becken. Als der Graf wieder auftaucht, spuckt er Wasser.
    »Ich will eine Antwort haben, ihr Hunde!«, brüllt er. »Eine ordentliche Antwort! …«
    Im nächsten Moment blitzen Messer in den Händen der Jungen. Nanu? Mir geht ein Licht auf. Ist der Graf geliefert? Zum Abstich freigegeben? Aber wieso weiß ich nichts davon?
    Die jungen Männer mit ihren Messern stellen sich am Beckenrand auf.
    »Dran und drauf!«, brüllt der Alte.
    »Dran und drauf! Dran und drauf!«, brüllen die Jungen.
    »Dran und drauf! Dran und drauf!«, fallen wir Übrigen ein.
    »Tod den Feinden Russlands!«, tönt des Alten Ruf.
    »Tod! Tod! Tod!«, skandieren wir.
    Der Graf schwimmt zum Beckenrand, greift nach der marmornen Einfassung. Doch auf der anderen Seite hat Komol schon ausgeholt: Wie ein Blitz fliegt das Messer, bohrt sich in des Grafen Krummrücken bis ans Heft. Dem wutentbrannten Mann entfährt ein gellender Schrei. Als Nächster schwingt Ochlop den Arm: Das Messer fliegt, dringt knapp neben dem ersten ein. Nun werfen Jolka und Awila ihre Messer – auch sie haben genau gezielt, treffen den nackenten Grafen in den Rücken. Der immer noch schnaubt vor Wut, so gar nicht einverstanden ist mit alledem. Wie viel Gift und Groll sich da angesammelt hat in diesem Stinktier! Eines nach dem anderen fliegen die Messer der jungen Schar. Und alle finden sie ihr Ziel. Das Messerwerfen scheinen die Jungen ordentlich geübt zu haben. Wir von der alten Garde ziehen den Nahkampf vor.
    Der Graf hat aufgehört zu schnauben, röchelt bloß noch, treibt im Wasser wie eine Seemine.
    »Alles wiederkriegen, dass ich nicht lache!« Der Alte grient, nimmt ein Glas vom Tablett und trinkt.
    Durch den Körper des Grafen gehen die letzten Zuckungen, dann rührt er sich nicht mehr. Leben ist Schicksal.
    »Rauf mit ihm!«, befiehlt der Alte den Bademeistern. »Und Wasserwechsel.«
    Die Bademeister zerren Urussows Leiche aus dem Becken, nehmen ihm das Halskettchen mit dem goldenen Kreuz ab und den berühmten Igelring, reichen beides dem Alten.
    Spielerisch lässt der Alte auf seinem Handteller tanzen, was von dem einst so mächtigen Grafen übrig ist.
    »Tja. So schnell kann es gehen.«
    Die Leiche wird hinausgetragen. Der Alte gibt Swirid das goldene Kreuz.
    »Das gibst du morgen in der Kirche ab«, trägt er ihm auf.
    Den Ring steckt er sich an den kleinen Finger.
    »Schwitzbad beendet. Raus hier. Alles nach oben!«

[ Menü ]
    DER STANDUHR hat halb drei geschlagen. Wir sitzen im gekachelten Gesellschaftszimmer. Nur noch fünf Mann hat der Alte zur Nachmitternachtsrunde geladen: Potyka, Wosk, Baldochai, Jerocha und mich. Nach dem Killen hat es unseren Alten nach ein bisschen Koks zum Wodka gelüstet. Wir sitzen rund um den Tisch aus rotem Granit. Auf ihm ein Teller mit weißen Linien, eine Kerze und eine Karaffe Wodka. Jerocha erhitzt den Teller über der Flamme, trocknet den Koks so ein bisschen von unten an. Der Alte ist schon gut drauf. Und wenn er richtig gut drauf ist, hält er uns hochtrabende Reden. Davon hat unser liebes Alterchen drei auf Lager: eine auf den Gossudaren, eine auf seine verstorbene Mama und eine auf den christlichen Glauben. Heute ist der Glauben dran.
    »Wahrscheinlich fragt ihr euch, meine lieben, teuren Töffel, wozu haben wir eigentlich diese Mauer gebaut? Wozu haben wir uns eingemauert, wozu die Reisepässe verbrannt, wozu die Ständeordnung wieder eingeführt, wozu die schlauen Maschinen auf kyrillische Buchstaben umgemodelt? Nur um einen guten Schnitt zu machen? Nur um Ordnung zu schaffen? Nur um unsere Ruhe zu haben? Aus Liebe zur Tradition? Damit die alten Benimmbücher wieder greifen? Um was Großes, Schönes aufzubauen? Für anständige Häuser? Saffianlederstiefel, mit denen sich alles schön feststampfen und niedertrampeln lässt? Für alles, was treu, redlich und gediegen ist, auf dass es bei uns seinen Platz hat, ja? Für die Macht des Staates, auf dass er sei wie … ja nun, wie eine Säule aus Tamarindenholz, die in denHimmel reicht? Auf dass er das Firmament trage mitsamt den Sternen allen, halleluja, man glaubt es kaum, auf dass die Sterne funkeln, ihr Schniefnasen, ihr ausgestopften Wölfe, auf dass der Mond scheint, auf dass euch ein warmer Wind in den Arsch bläst, immer schön rein und bloß nicht wieder raus, heisa trallala? Damit es der Arsch in den Samthosen schön warm hat? Und der Kopf unter der Zobelfellmütze schön gemütlich, nicht wahr? Damit ihr Schniefnasenwölfe es
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