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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür
Autoren: Rocko Schamoni
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Arschloch.«
    »Was?«
    »Du meinst tatsächlich, dass das cool war, stimmt’s? Du blöder, dämlicher Wichser, du bescheuertes, mieses Arschloch.«
    »Was denn? Was meinst du?«
    »Was ich meine? Willst du mich verarschen, du Psycho?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Mach deine Scheißjacke auf und hol die Tüte raus. Und dann zeig mir, was da drin ist.«
    Er öffnet die Jacke, holt die Tüte raus und gibt sie mir. Ich schaue hinein, weißer Stoff. Ich ziehe ihn heraus, er entfaltet sich, und diverse Dinge fallen auf den Rasen vor mir: zwei Becher, ein Laib Brot, Butter, Käse, eine Flasche Wein, ein Öffner, ein Messer.
    »Was? … Äh … Wo ist das verdammte Geld?«
    »Welches Geld? Ich hab kein Geld. Mich interessiert Geld nicht.«
    »Du bist doch eben in dieser verdammten Bank gewesen.«
    »Ich war einkaufen, nicht in einer Bank.«
    »Und was war mit den Polizeiwagen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat jemand die Bank überfallen?«
    »Das versteh ich nicht. Und wieso haben wir dann zum Einkaufen in einer Seitenstraße angehalten?«
    »Es sollte doch eine Überraschung sein. Ein Abenteuerausflug.«
    Je länger ich darüber nachdenke, desto peinlicher werden mir die Vorwürfe, die ich ihm gemacht habe. Er hat sich Mühe gegeben, mich zu überraschen, und mir fällt nichts anderes ein, als ihn anzupöbeln. Ich muss lachen über die Absurdität der Situation.
    Bob übergeht die Peinlichkeit. Wahrscheinlich hat er das alles eh genau so geplant. Ja, eigentlich hat er mich vorgeführt. Wahrscheinlich hat er sogar selber die Polizei gerufen.
    Wir sitzen unter der Köhlbrandbrücke, sehen über uns die Laster in die Ferne fahren, essen Brot und trinken Wein, es stinkt nach Öl und toten Fischen, und es geht uns gut.
    »Weißt du, Bob, eigentlich geht’s mir ziemlich gut. Ich habe nichts mehr zu verlieren, weder Besitz noch einen Beruf noch eine Familie. Ich bin frei.«
    »Richtig erkannt.«
    »Und dennoch habe ich immer wieder das Gefühl, gefangen zu sein. Etwas überwinden zu müssen. Etwas erreichen zu müssen. Ich fühle mich manchmal so, als würde ich durch ein Schlüsselloch schauen, aber ich komme nicht durch, ich stecke fest, der Durchgang ist zu eng.«
    »Mag sein, dass das bei dir grade so ist, aber das Entscheidende an dieser Situation ist ja: Hinter dem Schlüsselloch kommt immer das Schloss, Sonntag, vergiss das nicht. Hinter dem Schlüsselloch kommt immer das Schloss!«

Der Verlag des Vertrauens
     
    E in Brief liegt im Briefkasten. Er ist vom renommierten deutschen Piper Verlag, an den ich mein letztes Manuskript verschickt habe. Es wird wahrscheinlich eine Ablehnung sein. Ich trage den Brief in die Wohnung und lege ihn neben die Lebensmittel auf den Küchentisch. Nachdem ich mir einen Tee gemacht und ein Brot geschmiert habe, öffne ich den Umschlag.
     
    Sehr geehrter Herr Sonntag,
    wir möchten uns herzlich für Ihr Manuskript Europa mon Amour bedanken.
    Ich als Lektor habe mich köstlich amüsiert über Ihren Ton und die absurde Handlung. Falls Sie es sich vorstellen könnten, einen längeren Text zu erstellen, der dieses Niveau hält, würde ich das Interesse unseres Hauses anmelden wollen. Dürfte ich Sie bitten, mir mehr Material von sich zuzuschicken? Auch einige Mitarbeiter aus dem Lektorat haben sich sehr über Ihre launigen Zeilen amüsiert.
     
    Mit freundlichen Grüßen vom
    » Verlag Ihres Vertrauens « – Piper
    Ihr Christian Brunstein
     
    Sagenhaft. Jetzt also doch. Sie wollen. Wieso wollen sie erst jetzt? Was habe ich anders gemacht? Will ich? Wollte ich, als ich es verschickt habe? Kann ich abliefern? Oder sollte ich den Brief vernichten? Noch weiß niemand etwas von diesem Kontakt. In der Kette der Antwortschreiben ist dieser Brief ein Misserfolg. Etwas muss falsch gelaufen sein. Ich war nicht gut genug getarnt. Sie haben gemerkt, dass ich kein irrer Volltrottel bin, sondern dass ich die intellektuelle Hoheit über mein Material besitze. Mit anderen Worten: Mein Witz war verständlich. Also durchschaubar. Meine Maske ist aufgeflogen. Ein Misserfolg. Und dennoch eine Aussicht. Wie wäre es, wenn ich aus der Deckung kommen würde? Nur für einen Augenblick. Ich kann immer noch wieder abtauchen. Jetzt, wo ich erwerbslos bin, warum sollte ich diese eine Chance nicht nutzen? Ich könnte ja unter Pseudonym schreiben. Ich beschließe, den Kontakt zum Verlag aufrechtzuerhalten. Dann schreibe ich Susanne eine Mail. Ich teile ihr mit, dass sich ein Verlag gemeldet hat. Dass es
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