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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür
Autoren: Rocko Schamoni
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schwarzen Löcher genauer betrachten zu können. Nun kommt eine Nasenspitze in den unteren Bildrand. Langsam begreife ich, dass jemand über mich gebeugt, sehr nah mit seinem Gesicht über mir, schwebt. Ich versuche diesen Jemanden von mir zu schieben, bis er so scharf zu sehen ist, dass ich ihn erkennen kann. Es ist Bob, der mich unverschämt angrinst: »Geschafft.«
    »Was geschafft?«
    »Ich habe dich allein mit der Kraft meiner Gedanken geweckt.«
    »Kraft deiner Gedanken, meinst du also.«
    »Ja.«
    »Ich habe schlichtweg nicht mehr schlafen können, weil dein Atem so schlecht riecht.«
    »Mein Atem riecht kraft meiner Gedanken so schlecht, dass er dich geweckt hat. Das ist das Gleiche.«
    »Soso. Könntest du kraft deiner Gedanken bitte das Fenster öffnen, damit dein kraft deiner Gedanken schlecht riechender Atem abfließen kann?«
    Bob konzentriert sich. Stiert auf seine rechte Hand, hebt sie, steht auf, geht zum Fenster und öffnet es.
    »Siehst du? So einfach ist das!«
    »Das warst nicht du. Das war deine Hand.«
    »Sonntag, ich möchte heute einen Ausflug mit dir unternehmen. Einen Ausflug mit dem Taxi. Hast du Lust?«
    »Verstehe nicht recht. Was soll das? Ein Ausflug mit dem Taxi.«
    »Ein Abenteuerausflug. Ich bezahl alles, und du kommst einfach mit und lässt dich überraschen. Na, was sagst du?«
    »Wo ist der Haken?«
    »Den wirst du schon noch finden. Lass dich überraschen.«
    »Na ja, warum nicht. Wann denn?«
    »Jetzt.«
    Ich dusche mich, ziehe mich an und frühstücke eine Kleinigkeit. Bob sitzt die ganze Zeit vollkommen entspannt und ruhig in der Küche, starrt an die Decke und raucht. Langsam steigt in mir die Spannung – was mag der Spinner vorhaben? Als ich bereit bin, bestellt Bob ein Taxi, und wir gehen runter auf die Straße. Kurz darauf erscheint der Wagen, wir besteigen ihn, der Fahrer ist ein etwas älterer, gesetzter Hamburger Herr: »Moin, Moin! Wo soll’s denn hingehen?«
    »Zum Eppendorfer Baum, bitte.«
    Wir fahren los, ich beobachte Bob, er wirkt entspannt und konzentriert. Wir reden nicht. Am Eppendorfer Baum hinter einer Haspa-Filiale weist er den Fahrer an, in eine Seitenstraße zu fahren und anzuhalten:
    »So, bitte wartet einen Moment auf mich.«
    Er schließt die Tür, zieht eine Plastiktüte aus der Tasche und geht in Richtung der Straße, aus der wir gekommen sind. Mir schwant Übles. Ich denke darüber nach, zu verschwinden. Aber ich habe kein Geld dabei und kann den Taxifahrer nicht bezahlen, er würde mich nicht gehen lassen. Bob baut Scheiße, ich bin mir sicher. Das Warten ist unangenehm, der Taxifahrer schweigt stur, ich kann im Rückspiegel die Haare auf seiner Nase sehen. Auch aus den Ohren wachsen sie ihm büschelweise. Bob, dieser verdammte Idiot! Wie kann er mir das antun? Und wenn ich aussteigen und weglaufen würde? Gerade als ich mich dazu entschlossen habe, kommt Bob um die Ecke gerannt, springt in den Wagen und ruft: »Losfahren!«
    »Was?«
    »Los! Fahren!«
    Der Taxifahrer ist misstrauisch, kann aber dem Wunsch nicht widersprechen.
    »Wohin möchten Sie denn?«
    »Zur Köhlbrandbrücke.«
    Der Taxifahrer fährt los, äugt immer wieder skeptisch in den Rückspiegel. Schwer atmend sitzt Bob neben mir, wischt sich den Schweiß von der Stirn und grinst mich an. Er öffnet die Jacke, ich sehe die Tüte, gefüllt mit etwas Weichem. Auf dem Eppendorfer Baum nähern sich diverse Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene. Ich bin mir sicher, dass er die Bank ausgeraubt hat. Hat mich im Wagen warten lassen und die Bank ausgeraubt. Will er mir damit imponieren? Was soll das Ganze? Sollte ich aus dem Wagen aussteigen? Mir fällt keine adäquate Reaktion ein, also bleibe ich einfach sitzen und warte ab. Als wir an einem Polizeiwagen vorbeifahren, besitzt Bob die Frechheit, den Beamten zuzuwinken. Die Verärgerung füllt mich ganz aus. Ich könnte ihm jetzt direkt von den Seite ins Gesicht schlagen. Was für ein Arschloch, denke ich immer wieder. Wir fahren durch ganz Hamburg und dann über die Köhlbrandbrücke, in den Freihafen, schließlich halten wir am Ende einer kleinen Seitenstraße, die sich zwischen diversen Industrieanlagen hindurchschlängelt. Bob reicht dem Fahrer fünfzig Euro und steigt wortlos aus dem Wagen. Ich tue es ihm nach. Der Fahrer glotzt uns noch einmal durchdringend an – als wolle er sich unseren Anblick einprägen – und fährt dann ab. Bob und ich stehen uns gegenüber.
    »Du glaubst vielleicht, das wäre witzig gewesen. Du blödes
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