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Taeter wie wir

Taeter wie wir

Titel: Taeter wie wir
Autoren: Kim Fupz Aakeson
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wir nur noch, Wahnsinn, wie wir schrien, wir schrien so laut wir konnten, standen da in einem Haufen zusammen und schrien.
    Wir schrien, bis wir nicht mehr schreien konnten, wir fielen um, lagen da und starrten in den Himmel, die Sonne ging auf und es wurde hell, wir lagen da, ganz ruhig, wir mussten alle nach Hause und hatten eine Scheißangst, weil wir so spät waren, und gleichzeitig war es uns ganz egal. Wir redeten nicht, lagen nur da. Das war das erste Mal. Seitdem schrien wir immer mal wieder, manchmal machten wir es ziemlich oft, dann vergaßen wir es wieder und es verging ziemlich viel Zeit, bis wir es wieder taten. Wir redeten nie darüber, es gab nie jemanden, der sagte, ey, lasst uns mal wieder laut schreien. Es kam, wenn es kam. Wir schrien, wenn wir schrien.
    Henk kam Anfang der dritten Klasse zu uns. Als er der Klasse sagen sollte, wie er heißt, sagte er: »Henrik Kristian Reingaard Olsen.« Seitdem nannten wir ihn Henk.
    Benji hieß eigentlich Benjamin. Niko hieß Nikolaj. Susan wurde Storch genannt, weil sie das mit dem Bein hatte. Tine wurde T genannt. Maria wurde Ville genannt, weil sie Ville mit Nachnamen hieß. Es gab auch einige, die einfach so hießen, wie sie hießen, Martin zum Beispiel. Louise Wiedemann hieß eine Zeitlang Weihwasser, aber das verlief sich dann und sie hieß wieder nur Louise Wiedemann. Und Louise Vest hieß Louise Vest. Ditte hieß immer wieder anders, von einigen Namen hatte sie wahrscheinlich gar keine Ahnung. Ungefähr wie Merete. Laura wurde Hinken genannt, weil ein Bein kürzer war als das andere, sie hatte Einlagen in dem einen Schuh, aber wenn sie besoffen war, gab es immer Probleme damit, dann hinkte sie ganz fürchterlich. Die Mädchen gaben sich alle möglichen Namen, Schätzchen, Süße, Mäuschen, Mulle, Null, Pussi, Liebling, so ein bisschen schmierig.
    Eva wurde nie anders als Eva genannt.
    Wilam hieß eigentlich William. Er wurde Wilam genannt, weil er schreckliche Probleme mit der Rechtschreibung hatte.
    Bogense kriegte den Namen Bogense, weil er ausBogense stammte. Er zog mit seinen Eltern von Fünen hierher, als wir in die Vierte gingen, und natürlich waren wir anfangs hinter ihm her, er redete ja wie ein Idiot, so fünisch. Und sein Bruder war auch noch ein Spasti, soweit wir sehen konnten.
    Wir machten alles Mögliche mit Bogense, er wurde natürlich verprügelt, wir spuckten auf sein Schulbrot, zumindest taten Henk und Niko das. In der Pause kippten wir seinen Schulranzen auf dem Boden aus und traten auf seine Bücher. Er sagte kein Wort dazu, nicht einen Pieps. Sammelte nur seine Bücher wieder ein und stopfte sie zurück in die Tasche, wenn es zur Stunde klingelte.
    Und eines Tages liefen wir auf dem Heimweg von der Schule hinter ihm her, um seine Tasche zu schnappen und sie beim Hund des Fahrschullehrers reinzuwerfen, das war der schlimmste Köter überhaupt, er war ans Haus angeleint und bellte wie wild, wenn jemand vorbeiging. Wir holten Bogense ein, stellten uns um ihn herum und sagten: »So, jetzt schmeißen wir deine Tasche zu dem Köter da rein, was sagst du dazu?«
    »Das kann ich selbst tun«, sagte Bogense und dann warf dieser verrückte Kerl seinen Schulranzen zu dem Hund rein, der total Amok lief, sich in der Tasche verbiss und sie herumschleuderte. Wir guckten ziemlich blöd, zum Schluss kam die Fraudes Fahrlehrers heraus, das war so eine kleine, drahtige, aber sie hatte den Hund im Griff, oh ja. Sie nahm ihm einfach den Ranzen weg, kam an den Zaun und warf die Tasche wieder zurück auf die Straße. Und Bogense hob seinen Ranzen nicht auf, er stand nur da und wartete, ob wir noch mehr von ihm wollten.
    »Der ist ja geisteskrank, der Köter«, meinte Henk.
    »Nicht schlimmer als der, den mein Onkel hatte«, sagte Bogense. »Der hat gekotzt, wenn er sauer wurde.«
    »Gekotzt?«
    »Einmal hatte er ihn mit in seinem Auto und dann war da ein Hund in einem anderen Auto. Den hat er die ganze Zeit angekläfft und dann hat er auf die Sitze gekotzt. Den Gestank haben sie nie rausgekriegt.«
    »Oi«, sagten wir.
    »Mein Onkel musste den Wagen schließlich abwracken lassen.«
    »Krass«, sagte Henk.
    »Aber das war nicht so schlimm, das war sowieso ein Scheißauto«, sagte Bogense. »Er hat dann dafür von meinem Vater einen Citroën gekauft, der erst 60 000 Kilometer gefahren war.«
    So wurde Bogense unser Freund.Niko war wohl derjenige, den es am schlimmsten von uns getroffen hatte. Sein Vater arbeitete erst bei Daka in Ringsted, er stand da an
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