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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht
Autoren: Andrew Holleran
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glaube aber eigentlich nicht, daß ein Roman ein histo rischer Bericht sein sollte; Literatur sollte meiner Ansicht nach eigentlich nur einen Eindruck davon vermitteln, wie es sich anfühlte, Frank Romeros Lippen das erste Mal an einem heißen Augustnachmittag auf der Toilette von Les’ Caf é auf dem Weg nach Fire Island zu spüren. Wenn Du das voll brin gen könntest, Göttliche!
    Ich glaube also, Deine Aufgabe ist fast unmöglich, aber schick’s nur her. Ich würde es lieben, unter den Büschen mit einem Glas Limonade und etwas Gebäck zu sitzen, und den Roman einer teuren Freundin zu lesen! Wie typisch süd staat lerisch! Ich passe mich dem Süden wirklich jeden Tag mehr an. Auf jeden Fall die einzige Gegend unseres Landes mit etwas Lebensart, und nur, weil die Leute heute keine Lebensart mehr haben, blasen sie sich so auf. Ich schicke Dir ein paar Azaleen, von einem lachsfarbenen Rosa; ich weiß nicht, wie sie aussehen, wenn sie bei Dir ankommen.
    H é l è ne de S é vign é

Mitternacht
    The Lower East Side
     
    Delirium,
    gerade zurückgekehrt von einem episkopalischen Priester, der anscheinend sehr beliebt bei seiner Gemeinde in einer Kleinstadt in Connecticut ist – tr è s chic, natürlich. Der Mann ist so hübsch, so geistreich und umgänglich, – er rezi tier te sogar Psalmen für mich, und dann mußte ich ihn mit dem Griff einer Machete schlagen und ihm ins Gesicht spucken (die übermäßige Anstrengung, beliebt sein zu müssen, vermutlich). Und dann ging ich ins Pierre, wo Duncan Uhr lebt, der eines der größten Vermögen von New York hat, und einen der größten Schwänze (ein doppelter Grund also). Er ist recht intelligent, aber er sitzt den ganzen Tag im Pierre , ißt Spaghetti, guckt sich immer wieder „I love Lucy“ an und läßt sich Callboys kommen; oder er geht abends in die Sauna. Es war etwas peinlich, denn wir kann ten uns schon aus Choate! Er hatte es aber vergessen, bis ich ihn daran erinnerte, nach dem Geschäft.
    Ich weiß nicht, ob ich als Motto für meinen Roman einen Satz von Nietzsche nehmen soll oder von den ,,Shirelles“:
    Die Welt wird nie so sein
    Wie du es wirklich willst .
    (aus ,, Will You Still Love Me Tomorrow?“)
    Das Problem ist, ich weiß nicht, ob der Roman sich an ,,Auntie Ma m e“ oder „ Aufstieg und Fall des Römischen Rei ches“ orientieren sollte; er hat Elemente von beidem.
    Zu Deinen Einwendungen, die mir sehr wertvoll waren: ich stimme mit Ramon überein, daß die Ausdauer heutzu tage allgemein zu kurz ist, und das ist wirklich ein Haupt übel unserer Zeit; aber daß niemand etwas über Schwule lesen will!
    Ich kann auch nichts dafür, der Roman ist nun mal schwul. Ich bin eigentlich die letzten fünf Jahre nur schwul gewesen, ist mir kürzlich klar geworden. Jeder, den ich kenne, ist schwul, alle meine Träume sind schwul, ich bin, was Gus die Leute nannte, die man immer in den Discos, Bars, und Saunen sieht, – erinnerst Du Dich? Die Leute, die man wirklich überall sah, jedesmal, wenn wir ausgingen, sodaß Du schon die Polizei rufen und sie in den Knast werfen lassen wolltest? – Ich bin wirklich zum Schwulsein verdammt!
    Ich würde wirklich gerne ein verheirateter Rechtsanwalt mit einem Haus in einem Vorort sein, mit 2,6 Kindern und einem Wohnwagen, mit dem wir jeden Sommer den Grand Canyon besichtigen würden, aber ich bin es nun mal nicht! Ich bin ausschließlich und hoffnungslos schwul!
    Wirklich, als Stanford mir einen Fragebogen schickte, in dem eine Frage lautete: Was war dein größtes Erlebnis in den letzten zehn Jahren? antwortete eine Stimme in mir ohne Zögern: Alfredo Montavaldis Schwanz zu lutschen! (Auf jeden Fall bedeutete es mir mehr als Professor Leons Seminar über Chaucer.)
    Aber ich möchte Dich beruhigen, mein Roman behandelt nicht Schwule an sich. Er handelt von ein paar Personen, die eben zufällig schwul sind (ich weiß, das ist ein Klischee, aber es ist wahr). Schließlich sind die meisten Schwulen genauso langweilig wie Heteros – sie gründen mit ihren Liebhabern ein Geschäft und enden in Hollywood, Florida, mit Hunden und sauber gebügelten Hosen, und über sie zu schreiben habe ich wirklich keine Lust. Was kann man über Erfolg schon schreiben? Nichts! Aber Versager – diese schmale Un ter gruppe der Homosexuellen, die endgültige Schwuchtel, die den Gang einlegt und direkt in die Schlucht rast! Die fasziniert mich! Die Schwulen, die sich für wertlos halten, weil sie Trinen sind, und in Verwahrlosung und Verkom
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