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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht
Autoren: Andrew Holleran
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wie die Luft, bis auf einen plötzlichen Ruf nach dem Fahrer, der Mrs. Truscott in der Elm Street Nr. 353 zum Einkaufen abholen sollte. Der Chauffeur sagte, er werde die Dame in fünf Minuten abholen – eine Nach richt, die ihr Herz erfreut haben muß, denn im Som mer hätte Mrs. Truscott auf die Mäuschen aus den Werbeagenturen, die Ärzte, Designer, Modelle und Produzenten warten müssen, die alle zu ihrem Haus am Strand wollten.
    Als wir an einer Straßenecke in der frischen, aufre gen den Luft des späten Oktober hielten, starrten wir nur dumm durch die Fenster auf den Herbst, den wir in der Stadt ganz vergessen hatten, der Herbst, der hier in den Dörfern entlang der Küste leuchtet. Der Wagen fuhr die letzte schattige Straße hinunter, dann um eine Kurve, und präsentierte uns einen Ausblick, der uns unweigerlich die Herzen höher schlagen ließ: die sumpfi gen Buchten, wo die Bäume aufhören und statt dessen die Schiffsmasten in den Himmel ragen. Der Fährbetrieb hatte allerdings schon vor einem Monat aufgehört, und als wir auf ein Motorboot warteten, das wir zum Übersetzen gemietet hatten, hörte man in der frischen, sauberen Luft nur die Hämmer, die Männer mit Wollmützen um uns herum schwangen, um ihre Boote auf dem Trockendock zu reparieren.
    Malone hatte einmal gesagt: „Ich verbringe meinen nächsten Sommer nicht hier. Ich will nach Westen, ich will in einem Zelt in Afrika leben, ich will alles andere lieber als einen weiteren Sommer auf der Insel zu ver plempern.“
    „Verplempern?“ fragte Sutherland, und wandte seinen Kopf leicht zur Seite, als habe er einen Vogel hinter sich in den Büschen zwitschern hören. „Wie kann man einen Sommer auf der Insel verplempern? Das ist doch das einzige, was uns noch vor dem Tod rettet. Im übrigen“, sagte er, während er einen Strom Rauch ausblies, „weißt du ganz gut, daß du, wenn du tatsächlich nach Afrika führest, in deinem Zelt zwi schen den Gazellen und Löwen liegen und nicht ein Mal die Plane zurückziehen würdest, um sie anzu schauen, weil du dir nur Gedanken darüber machen würdest, wer wohl mit Frank Post tanzt und ob Luis ,Law of the Land’ spielt. Sei doch nicht verrückt. Glau be keinen Moment an Flucht. Das wird nichts!“
    An dem Tag, als uns das Motorboot über die Bucht in den Hafen tuckerte, hatte dieser Ort, gegen den Malone so aussichtslos protestiert hatte, wirklich nichts Schlimmes an sich. Die Insel lag ins selbe herbstliche Licht gebadet wie Sayville. Nur ein großes weißes Boot ankerte dort noch und teilte die Stelle mit einer Familie von Gänsen, und als wir dahinter vorbeifuhren, saß eine große Frau in kirschrotem Kaftan auf dem Deck und spielte Karten mit einem jungen Mann im Sweat shirt. Sie winkten zu uns herüber – das ungleiche Paar – und wir winkten zurück. Die Markisen waren vom Seehotel entfernt worden, die gläsernen Schiebetüren mit Abdeckplatten aus Sperrholz geschützt und über sät mit toten Blättern, die ein kürzliches Unwetter dort hatte kleben lassen. Es hatte noch nie so kahl ausge sehen. Als wir an Land gingen, war keine Menschen seele zu sehen.
    Man konnte sich leicht vorstellen, wie Diebe aus den Dörfern von Long Island im Winter übersetzten und Häuser ausplünderten. Wir kamen an einem großen, verlassenen Anwesen nach dem anderen vorbei, Häu ser mit Türmchen und Dachfenstern, Häuser mit Fähn chen, die in der windstillen Luft hingen, Häuser wie Burgen, Häuser wie Landarbeiterhütten, Häuser, die sich im Wald versteckten, und Häuser wie auf dem Präsentierteller. Die durchhängenden Elektroleitungen glänzten im klaren Oktoberlicht. Blätter hatten sich unter den Stechpalmen aufgehäuft, und das Gebüsch hatte weithin ein stumpfes Braun angenommen. Über uns betonte eine Reihe weißer Wolken nur umso mehr das tiefe Blau. Wir stiegen auf einen Aussichtspunkt, sahen den ganzen Strand lang in den Winkeln zwischen den Häusern eine Kette von helltürkisen Schwimmbecken, absurderweise voll Wasser. Als wir zu Malones Haus kamen, blieben wir beim Pool stehen und schauten hinein – den Pool, den all die puertorica nischen Jungen benutzten, wenn sie im Drogenrausch vom Balkon oder vom Dach aus hineinsprangen, – und dann spazierten wir drum herum und betrachteten eine Weile die regungslose See. Es war das Grün einer leeren Limonadenflasche. Es war wirklich sehr ruhig. Aber es war schon sehr stürmisch gewesen, denn der Strand zeigte überhaupt keine Ähnlicheit mit dem, auf dem wir
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