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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht
Autoren: Andrew Holleran
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solchen Stellen ist etwas Stummes, aber doch Beredtes lebendig, als ob sie ein e sehr alte Geschichte von Ver lust, Flüchtigkeit und Frieden erzählten. Nächtliche Post ämter in Kleinstädten...
    Oktober auf Fire Island war zum Teil deshalb so schön, weil die Insel von den Massen verlassen wor den war. Und besteht darin nicht der ganze Reiz der Liebe, und Malones Begabung auf diesem Gebiet: unser Bestreben, immer den Einzelnen, dem die Gesell schaft nichts bedeutet, von der Menge zu isolieren? Es gibt Paare, deren Beziehung sich nur in der Öffent lichkeit abspielt, deren Verhältnis nur aus der Tatsache besteht, daß andere Leute sie für Freunde halten. Aber den Strand im Herbst liebe ich (neben der Anmut des Wetters, dem geradezu emaillierten Licht, das alles überlagert, von den Schiffshandwerkern über die Schmet terlinge bis zu den Schilfrohren) vor allem deswegen, weil die künstliche Geselligkeit jetzt verschwunden ist und die Insel so hinterlassen hat, wie Malone und ich sie uns immer gewünscht hatten: ein Fischerdorf, in dem vermutlich keiner dem anderen etwas vormachte.
    Im plötzlichen Bedürfnis, in der Vergangenheit zu schwelgen, setzte ich mich auf die Treppe, die zum Strand führte, auf der wir in der heißen Augustsonne unsere Füße vom brennenden Sand ausgeruht und unsere Augen überschattet hatten, um nach den Figu ren im flirrenden Licht Ausschau zu halten. In jenem Sommer war eine Zwergin dagewesen, eine dicke wasserköpfige Frau, die inmitten der schönen jungen Männer immer den Strand auf und ab wanderte wie ein Fabelwesen. Und der Vietnam-Veteran, der ein Bein verloren hatte und am Wasserrand entlanghum pelte, mit seinem Stock und einer Lederjacke selbst bei heißester Sonne. Er war an dem Sonntag ertrunken, an dem auch so viele andere Schwimmer ertrunken waren. Nur wenige Meter von der Treppe entfernt, auf der ich jetzt saß, lag den ganzen Nachmittag eine Lei che in einem Laken, weil die Polizei zu viel zu tun hatte, um sie wegzubringen; und ein paar Schritte von der Leiche weg lagen die Leute in der Sonne und applaudierten einem Mann, der gerade einen Jungen mit Mund-zu-Mund-Beatmung zum Leben zurück ge holt hatte. Tod und Verlangen, Tod und Verlangen.
    Der ganze lange, verrückte Sommer kam zurück in der Wärme dieser bleichen, weit entfernten Sonne, die hoch über einem verlassenen Meer schien. Der Som mer, in dem Turnhosen als Badehosen modern gewor den waren, der Sommer, in dem Frank Post (der jedes Frühjahr an Selbstmord dachte, weil er sich den auf ihn zukommenden Herausforderungen nicht gewachsen fühlte – der sinnlichste, schönste Mann der Insel zu sein, der homosexuelle Mythos, den alle anbeteten – aber es dann doch irgendwie schaffte, ins Sportstudio zu gehen, seine Pillen zu schlucken und noch eine Saison zu meistern), sich den Körper glatt rasierte und in Jockstraps tanzen ging, und in dem sein Liebhaber an einer Überdosis Angel dust und Quaaludes starb. Der Sommer, in dem der Song „I’ll Always Love My Mama“ die ganze Saison durchhielt, und wir uns nie satt daran hörten. Der Sommer, der mit der Löwen party begann, und mit dem Grün-Rosa-Fest endete (das Sutherland gegeben hatte und von de m Malone verschwunden war). Der Sommer, in dem das nackte Sonnenbaden begann; der Sommer, in dem Todd Keller aus Laguna Beach die heiße Nummer war, und Angel dust die Modedroge. Der Sommer, in dem Kenny Lamar verhaftet wurde, weil er in einer Bar Poppers genommen hatte; der Sommer, in dem man che Leute am Pissen Geschmack fanden; der Sommer, in dem Gäste von ihm Edwin Giglio eine Geburts tags torte ins Gesicht warfen, so sehr haßten sie ihn; der Sommer, in dem Lyman Quinns Veranda bei seiner „Heiße Wogen“-Party unter zweitausend Leuten zu - sam menbrach; der Sommer, in dem im Juli ein Wal in der Nähe von Water Island strandete, und im August ein Rentier vor der Küste vorbeischwamm. Der Sommer, in dem sich Louis Deron Gasmasken anzog; der Sommer, in dem Lederwaren von Vuitton als protzig galten, ebenso wie Taucheruhren von Cartier, und Lacoste-Hemden out waren. Der Sommer, in dem die Rucksack-Mode begann; der Sommer, in dem der Lebensmittelladen seinen Besitzer wechselte, und man anfing, sich über den Müll, der in fünf Kilometern Ent fernung in den Atlantik strömte, Sorgen zu machen; der Sommer, in dem George Renfrew das Kane-Haus kaufte und extra für die Esther Williams-Party einen Swimming-Pool anlegte; der Sommer, in dem der neue Polizeibeamte alle
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