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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht
Autoren: Andrew Holleran
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erster Liebhaber ist sehr niedergeschlagen; er glaubt, daß der Westen von den Gewerkschaften ruiniert wird, daß die Leute heute an nichts mehr glauben, daß die Schwarzen die Stadt zerstört haben, und so weiter. Dann wurde er gestern nacht auch noch überfallen, – von einem weißen Halb starken – und verbrachte die Nacht im Krankenhaus.
    Und ich wurde übrigens letzte Nacht von drei serbok r oati schen Leibwächtern im Plaza Hotel belästigt, wo ich einen Termin hatte. (Ich dachte, so etwas gibt es nur in Ost deutsch land!) Ich will Dich nicht mit dem Rest der Ge schichte langweilen, nur soviel, mein linkes Bein liegt in Gips, und wir werden alle verklagen.
    Du siehst also, Du verpaßt hier nichts. Aber alle vermissen Dich. Eine Sache will ich Dir noch berichten, etwas aufre gender als meine neue Karriere, und zwar folgendes: Wäh rend ich mich von der „Befragung“ von gestern abend erho le, habe ich angefangen, einen Roman zu schreiben. Einen schwulen Roman, Liebes. Über uns alle. Würdest, konntest Du ihn mal lesen?

    Die Deine in Christus

    Madeleine de Rothschild
    P.S. Es tut mir leid, daß alle an Krebs sterben. Aber paß auf Dich auf;   ich komme langsam zu der Überzeugung, daß Krebs ansteckend ist.   Ich will Dich nicht gerade jetzt ver lieren.
     

Drei Uhr
    Tiefer Süden
     
    Wahnsinn,
    ich bin gerade damit fertig geworden, den Kirchenaltar für den Weltgebetstag herzurichten.
    Bitte schicke Deinen Roman nur her. Hier ist genau der richtige Ort zum Lesen, und das ist wirklich alles, was ich mit jenem Leben noch zu tun haben will: darüber lesen. Ramon sagt immer: Mach kurze Absätze. Ramon sagt, heut zu tage hat niemand mehr besonders viel Ausdauer, und des halb ist die Welt auch so unglücklich. (Gott weiß, wie sehr das für uns stimmte.)
    Trotzdem muß ich Dich warnen, Liebes: Uns amüsieren diese Sachen vielleicht, aber wer sonst, um alles in der Welt, will etwas über Tunten lesen? Schwules Leben fasziniert Dich doch nur, weil es das Leben ist, zu dem Du verurteilt bist. Wenn Du ein Familienvater wärst, der um 17.43 nach Hause nach Chappaqua fährt, glaube ich kaum, daß Du Lust hättest, etwas über Männer zu lesen, die einander die Schwänze lutschen. Selbst wenn Leute Schwule aus Höflich keit tolerieren, selbst wenn sie die Armen so nehmen, wie sie sind, wollen sie doch auf keinen Fall wissen, was sie nun wirklich machen. Der Anstand muß doch gewahrt bleiben, Liebling. Die Leute sind es satt, immer nur von Sex zu hören. Und die Geschichte von einem Jungen, der einen anderen Jungen liebt, wird der Welt nie so zu Herzen gehen wie die Geschichte von der Liebe eines Jungen zu einem Mäd chen. (Oder die Liebe eines Jungen zu seinem HUND – wenn Du einmal so eine Geschichte schreiben könntest, würde dieses Land Dich reich wie Krösus machen!) Du m ü ßtest Deine Geschichte auch ganz traurig machen – das Publikum verlangt, daß schwules Leben, genauso wie das Leben der Reichen, unendlich traurig sein muß, denn jeder in diesem Land glaubt tief in seinem Herzen, daß man zum Glück ein Einfamilienhaus in einem Vorort und eine Fami lie – eine Frau und 2,6 Kinder – braucht, und einen Wohn wagen und einen großen Hund und eine große Eiche mit einer Schaukel daran. Bitte glaube mir, Liebling, zu dieser Einstellung gibt es nicht viele abweichende Ansichten auf der Welt. Deshalb müßten die Leute a) sich erbrechen bei einer Geschichte über Männer, die Schwänze lutschen (ge schweige denn all die anderen Dinge treiben), und b) müßte sie unbedingt gewalttätig oder tragisch sein, und warum sollte man darauf eingehen?
    Im Gegensatz zur Schwulenbewegung, die möchte, daß in den Augen der Öffentlichkeit Schwulsein nicht nur gut, sondern besser ist, hat das Leben der Schwulen auf jeden Fall auch seine traurigen Seiten.
    Vielleicht hat Dein Roman einen geschichtlichen Sinn – und wenn nur deshalb, weil heute die jungen Trinen kaum von Heterojungen zu unterscheiden sind. Die Zwanzig jährigen machen sich über das Schwulsein doch überhaupt keine Gedanken mehr, sie halten sich nicht für verloren. Irgendjemand sollte schon von der Verrücktheit, der Ver zweif lung der Tunten früherer Zeiten berichten, den „Großen Queens“, deren Geschichten, anders als die von Sissi von Österreich, nie erzählt wurden: Sutherland, „Die, der man gehorchen muß“, und Epstein, – die wirklichen Verrückten dieser Gesellschaft, die sich noch weigern, sich der Gesellschaft wegen zu tarnen.
    Ich
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