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Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down
Autoren: David Ballantyne
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hinaufklettern konnte, wirkte Cal an der Mauer sehr unsicher. Aber er war auch ziemlich klein, es war nicht so leicht für ihn, die Tritte zu finden. Ich hielt immer die Arme auf, bereit, ihn zu fangen. Mörtel rieselte herab, ich schloss kurz die Augen.
    Als er es geschafft hatte, rannten wir die Treppe runter.
    »Und die Backsteine?«, fragte Cal, als wir im Hof waren. »Wollen wir die noch stapeln?«
    »Denen passiert schon nichts«, sagte ich, »wir müssen uns beeilen, Mr Wiggins braucht unsere Hilfe.«
    Als wir die Straße erreicht hatten, sagte er: »Vielleicht klaut Dibs uns die Steine.«
    »Das soll er mal versuchen«, sagte ich.
    »Komisch, dass Dibs nicht hier ist«, sagte er.
    »Spielt bestimmt irgendwo«, sagte ich und rannte voraus.
    »Warte!«, rief Cal.
    Ich blieb stehen. »Ist dir Mr Wiggins eigentlich völlig egal? Was wär denn, wenn du im Fluss feststecken würdest?«
    »Ist mir egal. Ich gehe jetzt Dibs suchen.« Er kehrte um und rannte auf die Gleise zu.
    »Cal«, rief ich, »Kleiner! Komm sofort zurück, sonst kannst du was erleben!«
    Aber er rannte weiter, als hätte er den Verstand verloren. Ich ging allein zum Fluss, ließ mir aber Zeit, denn große Lust hatte ich auch nicht, Mr Wiggins zu helfen. Außerdem musste ich mir überlegen, wie ich es Cal heimzahlen konnte. Ich war jetzt richtig sauer auf ihn, er war ein Verräter, dabei hatte ich immer dafür gesorgt, dass wir Spaß zusammen hatten.
    Unten am Fluss verpasste er allerdings gar nichts. Der Lieferwagen von Mr Wiggins war verschwunden, und Mr Wiggins und Mrs Kelly auch. Auf einmal war mir, als hätte ich mir die ganze Sache nur eingebildet.

2
    Der alte Sam Phelps hatte etwas Geheimnisvolles an sich, und nicht etwa, weil er so stur an Sydney Bridge Upside Down festhielt, statt sich ein jüngeres, schnelleres Pferd zu kaufen, das seine Lore über die Gleise ziehen konnte, vom Hafen bis kurz vor die Fabrik. Auch dies war einigermaßen rätselhaft, aber nachvollziehbar, wenn man bedachte, wie selten noch Schiffe in Calliope Bay anlegten, wie selten Sam Phelps den Weg über die Trasse noch machen musste. Nein, wenn ich sage, dass er irgendwie geheimnisvoll war, meine ich etwas anderes. Die Leute erzählten sich nämlich, dass er früher einmal in einem ordentlichen Haus gewohnt hatte, mit einer hübschen Tochter. Diese hübsche Tochter, so hieß es, war ihm weggelaufen, worauf Sam Phelps aus dem ordentlichen Haus ausgezogen war. Kurz darauf wurde es abgerissen. Ab diesem Zeitpunkt muss es bergab gegangen sein. Niemand wusste, wo die Tochter war, Sam Phelps hätte es bestimmt nicht erzählt, selbst wenn er etwas gewusst hätte. Tatsache war, und das erklärte ich auch Dibs Kelly in jenen Sommerferien, als wir an einem Nachmittag in der Höhle saßen – Tatsache war, dass man aus Sam Phelps praktisch nichts herausbekam. Nicht einmal die Frage, wann die Emma Cranwell am Dock erwartet wurde, brauchte man ihm zu stellen, meistens schwieg er nur, wandte sich ab und begann, Sydney Bridge Upside Down über den hohlen Rücken zu streichen, vielleicht hoffte er, den Rücken auf diese Weise zu stärken, aber je länger ich zuschaute, desto tiefer schien er mir durchzuhängen.
    »Das wird also nichts, Kleiner«, sagte ich zu Dibs und nahm mir noch eine von seinen Zigaretten. »Wir warten hier auf Cal. Er wird uns melden, wenn das Schiff in Sicht ist.«
    »Hoffentlich beeilt er sich«, sagte Dibs. »Es ist verdammt verqualmt hier drin.«
    »Ist dir schon schwindlig?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er. »Ich hab ja erst zwei geraucht.«
    »Das ist schon meine dritte«, sagte ich und winkte mit der Zigarette. »Besser als die von Mutter, aber nicht so stark wie die letzten, die du gedreht hast. Nimmst du noch dieselben Blätter?«
    »Sie kommen vom selben Strauch«, sagte er. »Vielleicht waren die anderen trockener. Mir sind die hier stark genug. Wenn ich noch eine rauche, dreht sich bei mir alles.«
    »Also los, dann rauch noch eine. Halluzinationen kriegst du nur, wenn dir schwindlig ist.«
    »Mir ist schon oft schwindlig gewesen, aber Halluzinationen hatte ich noch keine«, sagte Dibs. »Mir wird nur schwindlig, und dann wird mir schlecht.«
    »Hey«, rief ich, »du hattest doch gerade einen breiten Schnurrbart und auf dem Kopf einen Helm! Ich glaub, es geht los!«
    »Und jetzt, und was siehst du jetzt?«
    Ich musste husten, schnappte nach Luft.
    »Und, was siehst du denn jetzt?«, fragte Dibs, »Los, sag schon!«
    Als ich wieder atmen
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