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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
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Errungenschaft, die ich, toi, toi, toi, jemals katastrophenfrei in den Griff kriegen würde, ein Plattenspieler war. Und so standen meine Mutter und ich an einem späten Nachmittag in Momms Laden, der nach nagelneuen Unterhaltungsgeräten und Zigarettenrauch roch. Wir waren die einzigen Kunden. Der Inhaber war um die fünfzig, klein und fast kahl. Er fragte meine Mutter nach ihrer Preisvorstellung, demonstrierte dann widerwillig einen Plattenspieler von Telefunken, der Party Hit hieß.
    » Lautsprecher im Deckel, Mono.«
    Momm sprach das Wort Mono mit derselben Verachtung aus, mit der mein zweiter Vater Worte wie arbeitsscheu, Sittenstrolch, Kommunistenschwein oder Borussia Mönchengladbach aussprach.
    » Kostet hundertneunundzwanzig Mark, das Ding. Aber ich würde es Ihnen für hundert lassen, gnädige Frau. Damit ich es endlich nicht mehr sehen muss.«
    Über dem Kassentresen hing eine Leuchtreklame mit der Aufschrift … nimm doch PHILIPS . Winterliche Sonnenstrahlen fielen in den Laden, die einen kleinen Heiligenschein um Momms Kopf und seine letzten Haare malten. Unheilig verschlangen seine Augen meine Mutter, die gut roch, weil ihre Freundin Lilo ihr immer kostenlose Proben und preisreduzierte Fläschchen aus der Parfümerieabteilung vom Kaufhof mitbrachte. Die falsche Leopardenjacke meiner Mutter sah wie echt aus, ebenso wie ihre Wimpern, die sie auffallend oft flattern ließ. Sie lachte auch anders und lauter als sonst, wenn Momm ihr Komplimente machte. Als hätte sie zwei bis drei Gläser Sekt getrunken. Ich schämte mich ein bisschen für sie. Meine Hochstimmung, endlich einen Plattenspieler zu bekommen, verflog nicht, kühlte aber ab.
    Momms Plattenabteilung sorgte für einen weiteren Dämpfer. Sie bestand aus Rudolf Schock und Margit Schramm, Peter Alexander, Heintje, James Last und den Bee Gees. Momm, für den ich nicht einmal Luft war, schmeichelte meine Mutter in einen Teil des Ladens, den er seinen Stereopalast nannte. Zum guten Ton gehört DUAL , wurde man da von einem großen Plakat begrüßt.
    Momm sagte: » Mono ist tot, Stereo heißt die Zukunft!«
    » Stereo?«, fragte meine Mutter. » Was ist das denn genau?«
    Mir war ihre Frage peinlich, aber Momm fand es entzückend, dass meine Mutter keine Ahnung hatte.
    » Stellen Sie sich vor, Gnädigste, Sie befinden sich einen Kilometer von einem Konzertsaal entfernt, in dem Karajan gerade mit seinen Berliner Philharmonikern Beethovens Neunte gibt. Das ist Mono. Stereo ist, wenn Sie im Konzertsaal sitzen, und zwar auf dem Platz, der für den Bundespräsidenten reserviert ist!«
    » Das haben Sie aber schön gesagt!«, sagte Mama.
    Momm schien um einen halben Meter zu wachsen, seine Hände redeten wirr durcheinander. Seine starren Augen machten mir Angst. Er beugte sich vor und kam meiner Mutter sehr nah. Ich fürchtete, er würde sich jeden Moment auf sie stürzen. Dann fragte er sie aber nur nach ihrem Vornamen.
    » Gisela«, sagte er mit der öligen Stimme eines Schnulzensängers. » Ich darf doch – Gisela sagen?«
    Meine Mutter deutete ein Nicken an.
    » Schauen Sie her. Made in Germany.« Momm stützte seine Hände schwer auf ein breites Regalbrett, auf dem eine Stereoanlage stand, wie sie bestimmt keiner in meiner Klasse hatte, nicht mal Dreyling, dessen Vater Chefarzt war. Momm wischte brutal den Weihnachtsschmuck von dem Gerät, Lametta, Plastikzweige und mit künstlichem Schnee bestäubte Christbaumkugeln.
    » Integrierter Verstärker«, flüsterte er, voll Demut vor der Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst. » Vollautomatischer Plattenspieler, zwei Lautsprecherboxen!«
    Er faltete die Hände, betete das Gerät an, als könnte es nicht nur Konzertklang erzeugen, sondern nebenbei auch noch die Welt von Krebs und Krieg erlösen.
    » Plattenspieler in Edelholzfurnier, Frontblende mit gebürsteter Edelstahlfront. Vier, ich wiederhole: vier Geschwindigkeiten abspielbar! Im Tonkopf ist eine Wendenadel eingebaut, sowohl für Vinyl- als auch für Schellackplatten geeignet –«
    » Stopp, stopp, lieber Herr Momm!«, rief meine Mutter. » Ich bin doch keine Millionärin!«
    Der Inhaber klatschte einmal in die Hände, rieb sie. Er kratzte sich am Hinterkopf, strich über seine Nasenspitze, das glatt rasierte kleine Gesicht. Dynamisch klopfte er dreimal gegen die gebürstete Edelstahlfront des Plattenspielers.
    » Liebe Gisela, ich feiere in diesem Monat mein zwanzigjähriges Geschäftsjubiläum. Aus diesem Anlass gibt es eine Verlosung. Vielleicht
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