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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
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dritten Mal einen Rastplatz ansteuerte. » Du musst dringend zum Urologen. Dringend, hörst du?«
    Ich hatte kein Problem mit der Blase, sondern Angst, der neue Dachgepäckträger, auf dem unsere Fahrräder befestigt waren, könnte sich losreißen und denen, die hinter uns fuhren, zum Verhängnis werden. Alles war aber noch an seinem Platz. Erst einmal würde es kein von mir verschuldetes Autobahndrama mit Toten und Schwerverletzten geben. Die Schrauben und Halterungen hatten sich nicht gelöst, sich nicht einmal gelockert, obwohl ich sie befestigt hatte.
    Am Morgen hatte ich mehr als eine Stunde für den Aufbau gebraucht. Ich verstand die Anleitung nicht. Denkbar einfach! Die Gummiteller müssen am Dachholm anliegen. Arme an der Dachreling einhaken und mit Inbusschlüssel verschrauben. Fertig! Kopflos und verschwitzt hatte ich versucht, Text und Skizzen zu verstehen, Dachreling und Dachholm zu unterscheiden. Und welche Arme?
    Betty und Maya hatten zunehmend gereizter Zeichen gegeben, dass sie reisefertig waren. Nachbarn sahen mir mit den Händen in den Taschen über die Schulter zu und stellten blöde Fragen. Krähen, die im Vorgarten herumhüpften, krächzten höhnisch. Ich rannte um das Auto herum, suchte ein Wunder, fand aber immer nur mein blaues. Ich fühlte mich vom Heimwerkerpech verfolgt wie Buster Keaton, der in einem Film, dessen Namen ich vergessen habe, einen Nagel für ein kleines Bild in die Wand schlägt und damit das ganze Haus zum Einsturz bringt.
    Eigentlich wollten wir früh losfahren an diesem Unglückstag, um mehr Zeit für das Meer zu haben. Betty hatte den neuen Gepäckträger gekauft, weil der angeblich leichter zu handhaben war als der alte. Eins, zwei, drei – fertig! Ein Klacks, ein Kinderspiel, absolut idiotensicher! Und schwupps, die Räder obendrauf!
    Schließlich hatte Betty mir die zerknitterte Aufbauanleitung aus den ratlosen Händen gerissen. Sie brauchte keine fünf Minuten, um den Gepäckträger so auf dem Autodach zu platzieren, dass ich nur noch die Schrauben festdrehen und die Fahrräder fixieren musste.
    » Was bist du bloß für eine Pfeife«, sagte Maya, als sie endlich ihre Käfige auf dem Rücksitz verstauen konnte.
    Inzwischen saß Betty am Steuer. Ich war ihr wohl zu langsam gefahren. Im Radio lief Sweet About Me, Mayas Lieblingslied, das sie laut und textsicher mitsang. Betty fuhr hundertzwanzig. Ich stellte mir mit aufeinandergepressten Lippen vor, mit welcher verheerenden Zerstörungskraft der Fahrtwind auf den Gepäckträger einwirkte. Auch Straßenschäden und holpriger Streckenbelag arbeiteten gegen meine Urlaubsstimmung. Dieses Rütteln, das konnte nicht mehr lange gut gehen! Bei jedem unerwarteten Geräusch zuckte ich zusammen. Das Radio meldete einen schweren Unfall zwischen Amsterdam und Amersfoort, acht Kilometer Stau. Ich ließ das Seitenfenster herunter, steckte den Kopf heraus und verrenkte mir fast den Hals, um Sichtkontakt zu den Fahrrädern zu bekommen.
    » Stimmt was nicht?«, fragte Betty.
    » Bloß frische Luft«, antwortete ich. » Die Meerschweine stinken wie Sau.«
    Betty warf mir einen Jetzt-stell-dich-mal-bloß-nicht-wieder-so-an-Blick zu und überholte ein buntes Wohnmobil.
    » Voll die Scheiße, mein Mathelehrer!«, rief Maya und duckte sich. » Wenn der in unserem Ort Urlaub macht, bring ich mich um.«
    » Eher bring ich ihn um«, sagte ich, spannte meinen rechten Daumen an und legte Zeige- auf Mittelfinger. Ich kniff die Augen zusammen, zielte, » peng, peng«. Dann blies ich imaginären Pulverdampf weg.
    » Total bescheuert, Cowboy?«, sagte Betty. » Kann sich garantiert keine Zehntelsekunde im Sattel halten, der alte Sack, aber John-Wayne-Flausen ganz dicke!«
    Ich lächelte besänftigend, verwandelte im Handumdrehen meine Fingerpistole in ein V. » Make love, not war.«
    » Und außerdem«, sagte Betty, » ist der Mathelehrer gar nicht so schlimm.«
    » Wie bitte?«, rief Maya. » Weißt du, was der neulich zu Lars gesagt hat? ›Du bist so dämlich‹, hat er gesagt, ›du kannst später noch nicht mal Verteidigungsminister werden!‹«
    » Da habe ich in meiner Schulzeit aber wesentlich Schlimmeres erlebt«, sagte ich. »Meine Klassenlehrerin in der Grundschule zum Beispiel. Die wollte einem Mädchen, das Linkshänderin war, mit einer Kordel den linken Arm auf dem Rücken festbinden. Das Mädchen wehrte sich, und bei dem Gerangel hat die Lehrerin ihm den Arm gebrochen.«
    » So was würde sich heute kein Lehrer mehr trauen«, sagte
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