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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
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Glanzzeit hatte Cornwell Pressefritzen, deren Fragen ihm nicht gefielen, Rippen und Unterkiefer gebrochen. Auf aktuellen Fotos wirkte er immer noch durchtrainiert. Die Haare zwar auf dem Rückmarsch, aber unverändert das fiese Jack-Nicholson-Grinsen. Mein Handy klingelte.
    » Hugh?«, sagte ich.
    » Betty«, sagte Betty. » Was meinst du? Ob Maya nächstes Wochenende wieder zu uns kommen will?«
    » Maya?«, fragte ich erschrocken.
    » Michelle, meinte ich«, sagte Betty und räusperte sich.
    Dass alles so schnell gehen würde, damit hatten wir im Traum nicht gerechnet. Wir waren völlig unvorbereitet gewesen, als der Leiter des Jugendamts vor einer Woche angerufen und grünes Licht gegeben hatte, zunächst wöchentlich von freitags 15 Uhr bis sonntags 18 Uhr. Zwei Minuten später Frau Breuer, wie verwandelt. Sie gratulierte uns, vergaß auch nicht, ihre Rolle bei der positiven Bewertung zu erwähnen. Zweimal sagte sie, wie sehr Michelle sich auf uns freue.
    Betty wollte eigentlich übers Wochenende mit einer Kollegin zu einem Fortbildungsseminar nach Hamburg fliegen. Die Tickets waren längst gebucht. Seit einem halben Jahr hatte sich Betty auf den Termin und das Spitzenklassehotel gefreut.
    Beim ersten Mittagessen mit Michelle gab es, anders als früher, keinen Streit wegen der Lammkoteletts. Wir hatten vorsichtshalber auch eine Vegi-Variante in petto gehabt. Anschließend standen wir im Kinderzimmer herum. Michelle interessierte sich kurz für die Johnny-Depp-Fotos, bevor sie sagte: » Mir ist langweilig. Im Übrigen riecht es hier komisch. Gehn wir shoppen?«
    Frau Breuer hatte von größeren Einkaufs- und Geschenkaktionen gleich zu Anfang abgeraten.
    » Wir könnten was spielen«, sagte Betty.
    » Rummikub!«, rief ich. » Oder Kniffel!«
    » Bin doch kein Baby«, antwortete Michelle. Sie sprach durch die Nase, obwohl sie nicht erkältet war. Ihre abgebissenen Fingernägel waren schwarz lackiert.
    Wir mussten das Spielthema nicht ausdiskutieren, weil Michelle plötzlich kleine Pusteln im Gesicht hatte und schwer zu atmen begann.
    » Mein Gott, sie erstickt!«, schrie Betty panisch.
    Ich zog Michelle nach draußen an die frische Luft. Wir hatten vergessen, die Meerschweinchen und Zwergkaninchen aus Mayas Zimmer zu schaffen. Frau Breuer hatte uns doch mehrmals auf Michelles Allergie gegen Tierhaare hingewiesen! Ein Glück, dass wenigstens die Katze seit Wochen verschwunden war.
    Nachmittags schaute Michelle sich einen Film auf ProSieben an, in dem sich ein blonder Schönheitschirurg aus bestem Hause in eine Blumenverkäuferin aus bescheidenen Verhältnissen verliebt. Michelle hatte dabei Kopfhörer auf und blätterte in Mädchen, die ich zusammen mit der BRAVO noch schnell am Kiosk besorgt hatte.
    Betty und ich setzten uns auf die Terrasse und atmeten durch. Wir hörten, wie Glas zersplitterte und dachten zunächst, die Nachbarn hätten einen Ehekrach. Aber Michelle war dabei, unseren Weinvorrat in Scherben und Pfützen zu verwandeln. Da fiel uns ein, dass Frau Breuer etwas von Alkoholismus in Michelles früherer Familie erwähnt hatte.
    » Lass sie«, hatte Betty gesagt und ihre Hand beruhigend auf meinen Unterarm gelegt, » besser, sie zeigt diese Art der Aggression, als dass sie säuft.«
    » Meine kluge Betty«, hatte ich tapfer geantwortet und meinen Schmerz mit der letzten Flasche Primitivo del Salento geteilt, die auf dem Boden zerschellte.
    Mayas Meerschweinchen und Kaninchen verschenkten wir am nächsten Tag an Kinder aus der Nachbarschaft. Nur Egon, ein blindes und ziemlich hässliches Exemplar, das Maya besonders geliebt hatte, wurden wir nicht los. Wir hätten Egon gern behalten, aber wegen Michelles Allergie war das unmöglich, deshalb musste ich ihn und ein Bestechungsgeld ins Tierheim bringen.
    Ich wechselte von Espresso zu Bier. Gott war groß und gerecht. Er hatte die Diana-Krall- CD ab dem dritten Stück mit einem Defekt ausgestattet, der das Weiterhören unmöglich machte. Die Café-Central-Thekenbedienung sorgte für Ersatz. Der nach meiner Berechnung mittlerweile fünfundachtzigjährige Chuck Berry beklagte sich gleich im ersten Song, dass sein Daddy ihm den Caddie nicht leihen wolle. Chuck hatte nämlich vor, mit der pinken Kiste zum Schulball zu düsen und dort eine süße sechzehnjährige Klassenkameradin aufzureißen.
    Ein neuer Gast schüttelte sich durchnässt und bestellte eine Kürbiscremesuppe. Die Blonde mit dem Pferdeschwanz redete mit den Händen wie eine Schauspielschülerin in
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