Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
Vom Netzwerk:
spe bei der Aufnahmeprüfung. Ihr englischer Tischnachbar streichelte beruhigend seinen Aktenkoffer. Um keine Thrombose vom Rumsitzen zu kriegen, suchte ich die Toilette auf und dort nach Hugh Cornwell. Vielleicht hatte er sich noch schnell einen Schuss gesetzt, um beim Interview in Hochform zu sein. Und dann war er ohnmächtig geworden, seine Pumpe machte den Job immerhin schon seit weit über sechzig Jahren. Aber er war weder auf dem Herren- noch auf dem Damenklo, und der Typ, der mit erstaunlicher Wut auf einen Kondomautomaten einschlug, hatte nur ansatzweise Ähnlichkeit mit dem Mann aus London.
    Weil Cornwell bekannt für seine blöden Späße war, schaute ich im Café nochmals überall nach. Dann setzte ich mich wieder und bestellte endlich einen doppelten Wodka mit Eis und ein paar Tropfen Grapefruitsaft. Die rothaarige Bedienung zog die Mundwinkel auseinander.
    » Eins«, sagte ich resigniert zu meinem neuen Aufnahmegerät, » einseinseins.«
    Ich schüttelte es wie ein Barkeeper den Cocktail. Das blöde Ding fiel mir aus der Hand und schlug hart auf dem schwarz-weiß gefliesten Boden auf, gleichzeitig erwachte mein Handy aus dem Schlaf. Eine Redaktionsassistentin namens Saskia fragte, ob ich die Cornwell-Story in spätestens drei Stunden mailen könne.
    » Ja«, hörte ich mich sagen. » No problem.«
    Die Assistentin lachte unmotiviert und zwitscherte: » Tschüssi.«
    Ich hob das Aufnahmegerät auf, jetzt blinkte es hellgrün. Bevor ich das Interview begann, bestellte ich noch einen Wodka mit Eis und Grapefruitsaft.
    » Hugh«, fragte ich den freien Stuhl mir gegenüber nach dem dritten Schluck, » warum haben die Stranglers es eigentlich nie in den USA geschafft? Selbst Golden Brown ist bei den Amis nicht unter die ersten 100 gekommen.«
    » Ganz einfach«, antwortete ich mit heiserem Timbre. » Amerikaner haben zu wenig Hirnmasse. Schweden und Australier übrigens auch. Franzosen sowieso.«
    » Ist Ihre Einstellung zur Frauenbewegung ähnlich kritisch, Hugh?«
    » Überhaupt nicht! Großartige Erfindung! Ich hab’s wirklich gern, wenn sich eine Frau unter mir bewegt.«
    Die Thekenbedienung fragte streng, ob ich zahlen wolle. Ich nickte. Zur Belohnung schenkte sie mir den Versuch eines Lächelns.
    » Zwei!«, sagte ich, und das Aufnahmegerät gehorchte wie ein Polizeihund.

5
    I n dem Dreifamilienhaus aus den späten Sechzigerjahren gab es zwei Mietwohnungen. Und die Erdgeschosswohnung, die wir kaufen wollten. Die Besichtigung fand zwei Tage nach meinem Interview mit Hugh Cornwell, ohne die Eigentümerin statt. Bettys Kollegin musste ein vereiterter Weisheitszahn gezogen werden. Sie gab uns den Schlüssel, und alles passte: der Blick auf den Innenhof mit den alten Laubbäumen und dem kleinen Teich, kaum Verkehrslärm, obwohl das Stadtzentrum nur fünf Minuten entfernt war. Michelle würde ein Sonnenzimmer haben. Das Bad war groß und wie neu, die Badewanne schier riesig. In Topzustand auch die Musikbox aus den frühen Sechzigern, eine Wurlitzer mit sichtbarem Plattenspieler. Ich wählte (Sittin’ On) The Dock Of The Bay, und als Otis Redding zu singen begann, sagte ich: » Die Bude ist gekauft.«
    » Da kommt aber noch viel Arbeit auf uns zu«, antwortete Betty.
    Ihr drohender Unterton gefiel mir gar nicht. Betty zeigte auf Wände, die bunt wie eine Briefmarke aus Neukaledonien waren. Die Farbe der Teppichböden passte, postalisch gesehen, zum unabhängigen Atoll Tuvalu.
    » Dana arbeitet in der Buchhaltung«, sagte Betty entschuldigend. » Sie ist keine Designerin.«
    Mir gefiel der Farbenfrohsinn auch nicht. Aber ich dachte an die Renovierungsarbeiten, sah depressive Tage mit blutigen Heimwerkerkatastrophen auf mich zukommen. Deshalb verteidigte ich den Geschmack der Nicht-Designerin.
    Es läutete. Eine falsche Rothaarige und ein Mann mit Militärklamotten standen vor der Tür. Sie hatten eine Kaffeekanne, Tassen und Schokoladenplätzchen dabei.
    » Tom und Heike«, sagte die Frau. » Wir wohnen auf der ersten Etage. Ihr seid die Neuen, nicht? Wir haben euch zufällig vor dem Haus parken sehn.«
    Heike hatte eine raue Stimme und schien zu oft ins Sonnenstudio zu gehen. Sie war dreißig Zentimeter kleiner und mindestens fünf Jahre älter als Tom, der eine Kappe mit der Aufschrift Aber Hallo! trug. Dass er, kaum im Wohnzimmer, verkündete, den hässlichen Teppichboden würde er an unserer Stelle sofort rausreißen, machte ihn mir nicht sympathischer.
    » Nur zu, reißen Sie!«, rief Betty.
    » Mach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher