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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
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Müsstest du eigentlich wissen. Wählst doch immer die Linken.«
    » Du doch auch!«
    » Eben.«
    Wenn man aus dem Fenster schaute, sah man Glascontainer auf einem Parkplatz. Der Geschäftsstellenleiter ließ uns warten, als seien wir Bittsteller.
    » Sei mir nicht böse, aber ich finde den Termin etwas voreilig«, sagte ich. » Wollen wir die Sache nicht noch mal überschlafen?«
    » Wir können sie ja auch gern verschlafen«, antwortete Betty. » Glaubst du wirklich, bei dem günstigen Kaufpreis wären wir die einzigen Interessenten?«
    16 Uhr 13. Ich dachte an den Feierabendverkehr auf der Autobahn, die vielen Staus im Ruhrgebiet. Endlich ging die Tür auf. » Küpper«, sagte der Mann mit der roten Designerbrille, aber kein Wort der Entschuldigung für seine Verspätung. Nach dem Händeschütteln klappte er seinen Laptop auf, rückte die Fotografie zurecht.
    » Meine Tochter Larissa«, sagte er. » Reitet für Deutschland in der Junioren-Springreiterequipe! Die nächste Olympiade kommt vielleicht noch zu früh für sie, aber 2016 müsste sie dabei sein. Olympische Spiele sind für einen Sportler bekanntlich das –«
    » Tut mir leid, aber ich habe heute Abend beruflich noch was vor«, sagte ich.
    Küppers stolzes Lächeln verschwand. » Was treiben Sie denn so?«, fragte er, und sein verschwundenes Lächeln feierte ein schnelles Comeback.
    » Freiberufler.«
    » Sagen Sie jetzt bitte nicht: freischwebender Künstler. Sonst können wir das hier sofort beenden.«
    Dass Springreiten für mich Tierquälerei und im Übrigen noch viel langweiliger als Eistanzen und Synchronschwimmen sei, wollte ich antworten. Aber dann dachte ich an das Badezimmer und die große Wanne, an die Musikbox mit Otis Redding und The Clash und behielt die Nerven. Betty öffnete ihre Handtasche, legte Kontoauszüge auf den Tisch.
    » Meine Gehaltsüberweisungen der letzten zwölf Monate«, sagte sie. » Bedienen Sie sich.«
    Küpper zog die Zettel zu sich herüber, fasste sich an die Brille, nickte anerkennend.
    » Das sieht doch ganz ordentlich aus.«
    Ab jetzt richtete der Geschäftsstellenleiter seine Augen nur noch auf Betty. Ich war überflüssig, als Schmarotzer und Trittbrettfahrer enttarnt. Als Telefonläuten die zweiseitigen Verhandlungen unterbrach, sagte ich zu Betty: » Muss jetzt los. Du nimmst dir ein Taxi, ja?«
    » Viel Spaß«, antwortete sie, als würde ich mich in ein Wellnessparadies begeben, wo eine Spezialmassage auf mich wartete.
    Die vier Schotten hatten sich nach Franz Ferdinand benannt, dem österreichisch-ungarischen Thronfolger, dessen Ermordung 1914 in Sarajevo äußerer Anlass für den Ersten Weltkrieg gewesen war. Das war auch schon das Originellste an der Band. Im Gegensatz zum Rest der Welt hörte ich nur hektisches Untalent, eine schale Kopie von New Wave und Britpop.
    » Da musst du wohl mal wieder über deinen Schatten springen, alter Freund«, hatte Gerster gesagt. » Die Company von FF hat fürs nächste Heft eine doppelseitige Anzeige geschaltet. Gib dir Mühe, enttäusch uns nicht!«
    Gerster und ich kannten uns eigentlich nur vom Telefon. Wir waren uns nur einmal begegnet, bei einem meiner seltenen Besuche in der Berliner Redaktion, und da hatte er mir nur kurz die Hand geschüttelt und sich dann geradezu fluchtartig verzogen. Angeblich wartete Dave Gahan von Depeche Mode exklusiv am anderen Ende der Stadt auf ihn. In den nächsten Ausgaben suchte ich aber vergeblich nach dem Interview.
    Gersters Stimme hörte man den Nikotinmissbrauch und die rheinische Herkunft an. Ich hatte einmal in einem Szeneblättchen, das er zufällig in die Hände kriegte, über die Kölner Gruppe Can geschrieben, Gersters Lieblingsband. Mein Stil hatte ihm gefallen. Er befreite mich von den Blättchen, bei denen Honorarforderungen als unmoralisch galten, gab mir Jobs bei einem richtigen Blatt, das zahlte, ohne dass ich mit schlechtem Gewissen feilschen musste. Es war zwar nicht der Rolling Stone, aber erste Liga.
    Alle drei bis vier Wochen rief er an, fast immer angetrunken. Er setzte voraus, dass ich alles stehen und liegen ließ, mich nur auf ihn konzentrierte. Es war eine Art Geschäft: Bevor er mir den Auftrag gab, musste ich ihm zuhören. Gerster redete über seinen verstorbenen Vater, ein Nazi mit einem weichen Herz. » Lach nicht!«, sagte er, obwohl ich gar nicht lachte. Auch ein Schulfreund, der sich mit siebzehn umgebracht hatte, kam wiederholt zur Sprache. Und dass Start Me Up eigentlich von Gerster war.
    » Hab ich
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