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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
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verdammten Knarre nicht«, lallte der besoffene Kerl. » Die ballert einfach drauflos!«
    Den Beweis für seine Aussage lieferte er auf der Stelle. Die Kugel und mich trennten wahrscheinlich nur wenige Zentimeter. Dafür schrie Brass, der sich aus der Deckung gewagt hatte, getroffen auf.
    » Er blutet«, schrie ich. » Du Arschloch hast ihn getroffen!«
    Der Fahrer warf torkelnd die Pistole weg. Beim zweiten Versuch schaffte er es, sich in sein Führerhaus hochzuhangeln. Keine Minute später waren er und sein schlingernder Zwanzigtonner verschwunden. Der Anhänger blieb zurück.
    Brass lebte noch. Als Zivi in einem Krankenhaus hatte ich gelernt, den Puls zu fühlen. Aber der Sprengstoffhändler war ohnmächtig und verlor Blut. Sein rechtes Ohr war fast nicht mehr da. Ich zitterte. Die Sonne brannte. Das Handy war noch nicht erfunden. Bis zum nächsten Telefon waren es mindestens drei Kilometer. Ich stieg ins Unterhemd, zog mir die Hose über den Kopf, so durcheinander war ich. Dann schaffte ich es aber, mein T-Shirt zu einem kleinen Kissen zusammenzurollen und es unter Brass’ Kopf zu schieben. Bevor ich loslief und viele Tonnen Sprengstoff schutzlos zur freien Verfügung für die Terroristen hinterließ, nahm ich, wieder einigermaßen klar im Kopf, die Pistole an mich. Schließlich waren auf dem Ding auch meine Fingerabdrücke. Und ich wollte nicht in Verdacht geraten, falls Brass nicht mehr wach werden und der Lkw-Fahrer alles abstreiten sollte.
    Im Kölner Café Central hielten sich an diesem mürrischen Montag mit ziemlicher Sicherheit keine Waffenschieber und Staatsfeinde auf. Ich stand am chromglänzenden Tresen und wartete auf Hugh Cornwell, den früheren Sänger und Gitarristen der Stranglers. Fünfzehn-Uhr-Flaute, es roch nach frischem Erdbeerkuchen und dem Parfüm von Paloma Picasso. Ich fummelte an meinem neuen Aufnahmegerät herum. Es war nicht größer als eine Zigarettenschachtel und auf meine Stimme dressiert. Ich brauchte bloß eins zu sagen, schon blinkte es frühlingsgrün, die Aufnahme konnte beginnen. Sagte ich zwei , verwandelte sich Grün in Stopprot. So viel zur Theorie.
    » Eins!«, sagte ich wie ein Hundehalter, der » Sitz!« oder » Fass!« sagt. Das Gerät, das jetzt eigentlich gedämpftes Besteckrascheln und das diskrete Gemurmel der wenigen Cafégäste hätte aufnehmen müssen, verweigerte grünes Licht. Ich bestellte meinen dritten Espresso.
    Eine Blonde mit Pferdeschwanz nippte an einem lachsfarbenen Getränk. Sie unterhielt sich in affektiertem Englisch mit einem Anzugträger, der seinen Aktenkoffer wie ein geliebtes Haustier auf dem Schoß hielt.
    » Eins!«, sagte ich, » einseinseins!«
    Die rothaarige Thekenbedienung schaute mich ausdruckslos an, bevor sie eine neue CD in den Player schob. Diana Krall löste George Benson ab. Sauberer, gediegener Jazz für Leute, die Jazz nicht ausstehen können.
    Morgens hatte mir Cornwells Agentin per SMS Termin und Treffpunkt für das Interview bestätigt. HUGH FREUT SICH WAHNSINNIG !
    Musiker verspäteten sich immer, das gehörte zur Berufsehre, aber mehr als eine Stunde wollte ich nicht auf einen warten, der schon lange nicht mehr zog, der reif für Kirmeszelte und New-Wave-Oldie-Shows war.
    » Schreib was Schönes über den alten Mann, ja?«, hatte Gerster gesagt, ergriffen von seiner eigenen Gutmütigkeit. » Außer uns tut’s ja keiner mehr. Gott, wie hab ich damals No More Heroes geliebt! Meine erste Platte, mit dreizehn geklaut in Aachen! Wir waren da auf Klassenfahrt. Dombesichtigung, Rathausbesichtigung, Printenfabrikbesichtigung. Eine Schallplattenladenbesichtigung stand nicht auf dem Programm, aber ich war ein kleiner Punk.« Gerster lachte wehmütig. » Bin zwischendurch einfach mal abgehauen. Das Musikgeschäft, das ich ausraubte, hieß Heiliger & Kleutgens. Den Namen werde ich nie vergessen.«
    Ich rief die Agentin an.
    » Zwei Minuten noch, Hugh sitzt im Taxi«, sagte sie wie zu einem ungeduldigen Kind.
    Draußen machte Regen Jagd auf Leute, die den Oktober mit dem August verwechselt hatten. Ich suchte die Taschen meiner schwarzen Lederjacke nach dem Zettel ab, auf den ich ein paar Jahreszahlen und Songtitel der Stranglers notiert hatte. Mein Gedächtnis ließ nach, das Verblöden hatte begonnen. Mit achtzehn konnte ich die amerikanischen Hot 100 runterbeten, Fehlerquote unter zwei Prozent.
    Die Lust auf einen eisgekühlten Wodka mit viel Grapefruitsaft zerrte an mir, aber ich wollte mir keine Schwäche erlauben. In seiner
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