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Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt

Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt

Titel: Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt
Autoren: Helen D. Boylston
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bestand die Station aus zwei Räumen und einer breiten Veranda. Die Wände waren hell gestrichen und mit bunten Märchengestalten bemalt. Die Bettchen waren durch schulterhohe Glaswände voneinander getrennt. Auf weißlackierten Tischchen lag modernes Spielzeug. Eine Klimaanlage sorgte für gute Durchlüftung. Früher war es hier zwar weniger gut gelüftet gewesen, dafür aber warm und gemütlich, und vor den altmodischen Kaminen hatten Schaukelstühle gestanden, in denen man Schmerz, Heimweh und schlechte Träume hatte fortschaukeln können. Voller Stolz zeigte die Stationsschwester den Besucherinnen die blitzblanke Küche, das Laboratorium und die modernen Apparate. Gewiß, das war alles wunderschön. Dennoch dachte Susy ein wenig sehnsüchtig an die alten Kamine zurück, an das Holzfeuer, das immer so anheimelnd gerochen hatte, wenn draußen der Regen gegen die Scheiben schlug, an das Knarren der Schaukelstühle, in das sich helle Kinderstimmen mischten.
    Die Stationsschwester ging mit Kit voraus. Susy hörte, wie sie sagte: »Nabelbruchoperation. Er ist völlig apathisch. Wir haben alles nur Mögliche mit ihm angestellt, aber er zeigt für nichts Interesse.« Mitleidig musterte Susy den kleinen Jungen von etwa sechs Jahren, der mürrisch auf die Wand starrte. Sie wäre gern zu ihm hingegangen und hätte ihn getröstet, erinnerte sich aber noch rechtzeitig daran, daß sie hier nicht im Dienst war, und ging zögernd hinter den beiden anderen her. Am Bettchen eines unruhigen Fünfjährigen mit einem Bein im Gipsverband blieb sie stehen und lächelte ihm ermunternd zu. Er lächelte ebenfalls, aber seine Lippen waren trocken vom Fieber, und er fuhr mit dem Handrücken darüber. Als Susy weiterging, brachte eine junge Schwester ihm ein Glas Limonade. Er ergriff es mit beiden Händen und trank gierig.
    Im nächsten Bett lag ein kleines Mädchen, den Kopf im Kissen vergraben. Susy gab es einen Ruck. Sie vergaß Kit und die Stationsschwester; sie vergaß, daß sie nicht im Dienst war. Voller Zärtlichkeit beugte sie sich über die kleine reglose Gestalt. »Was fehlt dir denn?« fragte sie sanft.
    Das Mädchen drehte sich auf die Seite. »Ich will zu Mammi!« antwortete es kläglich.
    »Ja, ich weiß. Es ist schlimm, von ihr fort zu sein, nicht wahr?«
    Das Kind richtete sich auf. »Bist du auch eine Mammi?«
    »Ja. Ich hab’ ein kleines Mädchen, das ist sechs Jahre alt, und dann noch zwei Buben - Zwillinge. Sie sind vier und haben rotes Haar.«
    »Ich hab’ noch eine große Schwester. Wie heißt dein kleines Mädchen?«
    »Bettina. Und wie heißt du?«
    »Rosemarie.«
    »Das ist ein schöner Name. Du siehst fast genauso wie Bettina aus. Sie hat auch dunkles Haar, Zöpfe und blaue Augen wie du.«
    »Hast du sie auch allein im Krankenhaus gelassen?«
    »Nein. Bettina ist noch nie krank gewesen. Aber wenn sie krank wäre, müßte ich sie auch allein im Krankenhaus lassen.«
    »Warum?«
    »Weil Mammis nicht im Krankenhaus bleiben dürfen. Wo sollten sie hier auch essen und schlafen? Außerdem würden sie den Schwestern nur im Wege sein.«
    Rosemarie starrte Susy schweigend an. Die Erklärung schien ihr nicht einzuleuchten.
    »Deine Mammi ist auch traurig«, versicherte ihr Susy. »Und sie möchte schrecklich gern bei dir sein.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weil ich auch eine Mammi bin. Soll ich dir sagen, was deine Mammi jetzt gerade tut?«
    Rosemarie nickte.
    »Laß sehen! Es ist fünf Uhr. Sie überlegt jetzt natürlich, was sie zum Abendbrot kochen soll. Und dann denkt sie daran, was du wohl zu essen bekommst und ob es dir auch schmeckt. Am liebsten möchte sie für dich kochen. Und sie guckt gar nicht nach deinem Platz am Tisch, weil sie dann traurig wird. Während sie kocht und den Tisch deckt und ißt und das Geschirr abwäscht, denkt sie immerfort an dich. Und wenn dein Pa oder deine Schwester sie etwas fragen, hört sie es zuerst gar nicht, weil ihre Gedanken bei dir sind. Aber wenn sie dann schließlich schlafen geht, fliegt das Stück von ihr, das dir allein gehört, hierher, damit du nachts etwas Schönes träumst. So ist sie eigentlich immer bei dir.«
    »Gibt es wirklich ein Stück von Mammi, das nur mir gehört? Kann ich es sehen?«
    »Nein, sehen kannst du es nicht, aber es ist trotzdem bei dir.«
    Rosemarie seufzte zufrieden und legte sich wieder hin. Susy küßte sie. Erst als sie sich aufrichtete, fiel ihr die tiefe Stille im Saal auf, und sie blickte sich um. Aus jedem Bettchen sahen sie große
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