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Susanne Barden - 03 in New York

Susanne Barden - 03 in New York

Titel: Susanne Barden - 03 in New York
Autoren: Helen D. Boylston
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schlagenden Herzen zugehört. Ja, so hatten sie sich ihren Beruf vorgestellt und erträumt. Ob sie wohl auch so mutig und tatkräftig gewesen wären, das zu vollbringen, was Lillian Wald vollbracht hatte?
    Wahrscheinlich unterschied sie sich gar nicht von anderen Mädchen, als sie ausgebildet wurde<, dachte Susy bei sich. Sicherlich wurde sie oft abgekanzelt, wegen ihres Eigensinns getadelt - und doch —<
    Susys Gedanken wurden durch Fräulein Firrell unterbrochen, die nun über die gegenwärtigen Ziele der Henry-Street-Stiftung zu sprechen begann. In diesem Teil ihres Vortrages kamen sehr oft die Wörter »Familie« und »Gemeinde« vor.
    Bisher hatte Susy in einem großen Krankenhaus gearbeitet. Von Familien war in dieser Welt stiller Korridore und weißer Krankensäle, wo sich alles um die Pflege und Betreuung einzelner Menschen drehte, nur selten gesprochen worden; höchstens daß hin und wieder ein Patient seine häuslichen Sorgen einer Nachtschwester anvertraute, die sich darauf beschränken mußte, ihn teilnehmend anzuhören.
    Hier dagegen schien die Familie beinahe wichtiger als der einzelne Mensch zu sein. Von einer Henry-Street-Schwester, die eine Wohnung betrat, wurde erwartet, daß sie sich mit sämtlichen Mitgliedern der Familie befaßte und ihnen in körperlichen, finanziellen und seelischen Nöten beistand. Susys Augen begannen zu leuchten. Was für ein herrliches Betätigungsfeld tat sich da vor ihr auf! Es war sehr still in dem Saal, und Fräulein Firrells Worte fielen auf fruchtbaren Boden.
    »Geben Sie nicht zu viel Ratschläge auf einmal, sondern immer nur so viele, wie die Leute behalten können. Bedenken Sie stets, daß Sie für die Menschen auf der anderen Seite der Tür Fremde sind, obwohl Ihre Tracht bekannt ist und respektiert wird. Und denken Sie immer daran, daß Sie im Interesse einer Gemeinde arbeiten. Sie können in Ihrer Tracht ohne weiteres überall hingehen und zum Wohle der Stadt um Hilfe bitten.«
    Der Vortrag endete mit einer kurzen Skizzierung des Organisationsaufbaues. Die Stiftung umfaßte drei Verwaltungsbezirke und war in achtzehn Kreise geteilt. Diese Kreise zerfielen wiederum in kleinere Bezirke, und jeder Bezirk wurde von einer Schwester betreut. Es gab Henry-Street-Schwestern, die bereits zehn oder sogar zwanzig Jahre in demselben Bezirk tätig waren und nun schon die zweite Generation betreuten.
    Angeregt verließen die Mädchen schließlich den Saal. Der Nachmittag war frei. Für den nächsten Tag war ein Vortrag über allgemeine Pflege im Heim vorgesehen. Danach sollten sich die Schwestern bei den Kreisen melden, denen sie zugeteilt waren, und noch am selben Tage in Begleitung einer älteren Schwester in die Slums gehen.
    Susy und Kit waren dem Henry-Kreis zugeteilt worden. Als sie durch den Korridor zur Treppe gingen, blieb Susy plötzlich mit einem Ruck stehen. »Kit! Henry-Kreis - das ist doch in der HenryStreet, wo Lillian Wald angefangen hat. Wir werden in demselben Haus arbeiten, in dem sie gewohnt hat. Himmel, wie ich mich freue!«
    »Das höre ich gern«, sagte eine klare angenehme Stimme hinter ihnen.
    Die Mädchen wandten sich erstaunt um und blickten durch eine offene Tür in ein kleines Bürozimmer. An einem Schreibtisch, der fast den ganzen Raum einnahm, saß eine schlanke Frau in einem einfachen dunkelblauen Wollkleid. Ihr Gesichtsausdruck war herzlich und verständnisvoll, und um ihre ruhigen Augen lag ein Kranz von Lächelfalten. Sie sah die Mädchen prüfend an, während sie zögernd stehenblieben und mit großen Augen auf das Türschild starrten. »MacDonald«, lasen sie, und darunter »Personalleiterin«.
    »Sie sind Schwester Barden und Schwester van Dyke«, sagte Fräulein MacDonald freundlich. »Ich erkenne Sie nach den Fotos, die Sie eingesandt haben. Wir sind froh, daß Sie zu uns gekommen sind.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Kit höflich. Und Susy rief überschwenglich: »Wir freuen uns auch wahnsinnig!«
    Ein fast unmerklicher Ausdruck des Mißbehagens huschte über das Gesicht der Leiterin. »Sie müssen nicht glauben, die Arbeit wäre hier nur immer dramatisch oder romantisch«, entgegnete sie ernst. »Sie ist auch oft recht eintönig.«
    »Jede Arbeit hat ihre eintönigen Seiten«, erwiderte Susy rasch, um ihren Fehler wiedergutzumachen. »Daran sind wir gewöhnt.«
    Fräulein MacDonald lächelte. »Dann ist es ja gut. Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wohl.«
    »Ganz bestimmt!«
    Als die beiden Mädchen die Treppe hinuntergingen, sagte
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