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Susanne Barden 02 Zeig, was du kannst

Susanne Barden 02 Zeig, was du kannst

Titel: Susanne Barden 02 Zeig, was du kannst
Autoren: Helen D. Boylston
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verblüfftes Gesicht. »Nanu! Wie meinen Sie denn das?«
    Die Probeschwester klemmte ihre Absätze hinter die Stuhlleiste. »Mein Stiefvater zu Hause«, erklärte sie etwas verlegen, »war so streng. Ich hatte nie eine Minute freie Zeit, konnte niemals etwas für mich tun. Immer fragte er mich, warum ich nicht etwas anderes mache. Aber hier kann ich tun, was ich will, wenn ich dienstfrei bin. Ich kann ausgehen oder zu Hause bleiben, lesen oder sonst etwas tun. Und alle sind hier so nett. Sie werden mich sicherlich albern finden, aber es kommt mir hier wie im Himmel vor.«
    »Sie armes Lamm!« sagte die Schwester mitleidig. »Auch ich finde dieses Krankenhaus wunderbar - aber ich muß ehrlich gestehen, daß ich es niemals als einen Hort der Freiheit bezeichnen könnte. Es ist ...« Sie brach ab, als sie das leise Klirren von Eisstückchen hinter sich hörte. »Gott sei Dank, daß Sie kalten Tee bringen, Nora! Ich verschmachte.«
    Die kleine Irin trapste müde von der Hitze ins Zimmer; ihre Augen leuchteten auf, als sie die Schwester erblickte. »Ach, Sie haben gerufen! Nett, daß ich Sie wieder einmal sehe.« Ein bernsteingelber Strom ergoß sich in die Gläser, die sich sogleich von der Kälte beschlugen. »Zwei Stück Zucker, nicht wahr? Das habe ich noch nicht vergessen. Wie gefällt Ihnen denn Ihr neues Zimmer?«
    Die Schwester schloß ihre schlanken Finger aufatmend um das kalte Glas. »Es gefällt mir gut. Aber ich fühle mich noch ein wenig wie ein verlaufener Hund in Haus Grafton.« Sie wandte sich zu den Probeschwestern. »Ich bin gerade mit dem Kursus in der Abteilung für Augen und Ohren fertig. Nun hat mich die Schulleitung nach Haus Grafton versetzt. Ich bin die erste aus meiner Klasse, die dorthin gezogen ist.«
    »Ihre Freundinnen werden bald nachkommen«, klagte Nora. »Wenn die beiden Teufel, Fräulein Halliday und Fräulein van Dyke, fort sind, wird es hier trister werden als auf einem Hinterhof im Regen.«
    »Entschuldigen Sie bitte, sind Sie Seniorin?« fragte die kleine dicke Probeschwester.
    »Ja, ich bin es soeben geworden - vor einer Woche.«
    »Ich dachte es mir, weil Sie nach Haus Grafton gezogen sind. Dort wohnen ja nur Seniorinnen. Wie kommt es eigentlich, daß ich Sie noch nie gesehen habe?«
    »Das ist ganz einfach. Zuletzt war ich tagsüber in der Augen- und Ohrenstation, vorher hatte ich Nachtdienst, und davor war ich eine Zeitlang zu Hause, um mich von einer Blinddarmoperation zu erholen.«
    »Ach so.« Es machte offenbar großen Eindruck auf die Probeschwester, daß sich eine Seniorin mit ihr unterhielt, die vom Nachtdienst sprach, als wäre es etwas ganz Alltägliches. Schweigend trank sie ihren Tee und sagte dann schüchtern: »Ich möchte Sie gern etwas fragen. Wir sind noch neu hier, und es ist alles so verwirrend.«
    Die Schwester lächelte sie ermutigend an. »Schießen Sie los!«
    »Wie ist das eigentlich mit den Seniorinnen? Sie sagten soeben, daß Sie erst seit einer Woche Seniorin sind. Aber andere Lernschwestern hier sind es schon länger. Wie ...«
    »Nun, das ist so: Jedes halbe Jahr kommt eine neue Klasse in die Schule. Und am fünfzehnten September findet alljährlich eine Diplomfeier für beide Klassen statt. Die Schülerinnen erhalten dann jedoch noch nicht ihr Diplom, sondern tragen nur an diesem einen Tag das schwarze Band der ausgebildeten Schwester auf ihrer Haube. Danach müssen sie es wieder ablegen, bis sie genau drei Jahre lang im Krankenhaus gearbeitet haben. Das ist niemals für die ganze Klasse am selben Tag der Fall, denn viele Schülerinnen haben durch Krankheit oder Abwesenheit aus anderen Gründen Zeit versäumt und müssen sie nachholen.«
    »Aber ...«
    »Kurz bevor Sie herkamen, fand eine Diplomfeier statt. Meine ist erst im nächsten Jahr, aber dann bin ich noch nicht fertig, weil ich zwei Monate nachzuholen habe.«
    »Ach so. Vielen Dank.«
    »Wollen Sie sonst noch etwas wissen?«
    »Nein, nur ...«
    »Nun?«
    »Wie - wie fühlt man sich so als Seniorin?«
    Die Schwester lachte verständnisvoll. Dann wurde sie ernst. »Es ist eigentlich nicht ganz so, wie ich erwartet hatte. Man ist immer müde. Man hat viel mehr Verantwortung als vorher und - ist zwei Jahre älter. Ich will nicht sagen, daß es keine Freude macht, Seniorin zu sein, aber es ist eben ganz anders als vorher. Hm - besser kann ich Ihnen das leider nicht erklären.«
    »Vielen Dank.«
    Die magere Probeschwester hatte der Unterhaltung schweigend und mit düsterem Gesicht zugehört. Nun
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