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Survive

Survive

Titel: Survive
Autoren: Alex Morel
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ich mir. Ich bin nur ein Mädchen, das nach New Jersey nach Hause fliegt. Ich komme nicht aus Life House. Woran sollten sie es erkennen können? Ich sehe prüfend an mir herunter. Nichts Ungewöhnliches. Überhaupt nichts.
    Der Bus rollt durch die Stadt und biegt dann auf die Autobahn zum Flughafen ein. Ich sehe ein Kaninchen über den Schnee flitzen und überlege, wie groß die Welt durch seine Augen erscheinen mag. Oder ob die Landschaft nicht umgekehrt stark verkleinert wirkt, weil es dem Boden so nah ist. Oder vielleicht kann das Kaninchen sowieso gar nicht weit sehen, und daher spielt das alles keine Rolle. Ich werde es nie erfahren; ich kann es nicht mehr zu Hause nachschlagen. Meine Gedanken rasen mit einer Million Kilometer pro Stunde. Ich treibe mich selbst in den Wahnsinn, also schließe ich die Augen, beruhige meine Atmung und stelle mir den tiefen, blauschwarzen Horizont vor, den ich durch das Flugzeugfenster sehen werde. Langsam durchflutet mich ein Gefühl von Erleichterung und Ruhe. Ich bin jetzt so nah dran, sage ich mir wieder und wieder.
    Eine gefühlte Ewigkeit später sind wir am Flughafen. Es ist erst ein Uhr achtundfünfzig, zwei Minuten vor dem Zeitplan. Mein Herzschlag verlangsamt sich. Mein Geist wird klarer. Ich kann das Nirwana förmlich schmecken.
    Als ich aus dem Bus steige, erfüllt mich Entschlossenheit und mehr Selbstvertrauen, als ich seit Jahren empfunden habe. Es ist eine Art Euphorie, und ich verdonnere mich dazu, ihren Sirenengesang zu ignorieren – es ist kein Gefühl, an das ich mich klammern kann. Es existiert nur, weil ich mich darauf vorbereite, den Plan auszuführen. So einfach ist das – lass nicht zu, dass dein Verstand dir Streiche spielt, Jane. Ich habe dieses Gefühl auch vor meinem ersten »Zwischenfall« gehabt. Glaub keine Sekunde lang, dass dies ein Gefühl ist, das du dir erhalten kannst. Es ist nur dein Körper, der versucht, deinen Geist dazu zu bewegen, den Plan aufzugeben.

Kapitel 8
    Der Flughafen von Boise ist winzig, mit nur einer Handvoll Landebahnen – verglichen mit Newark oder John F. Kennedy eine ganz andere Liga. In den Urlaub Reisende wuseln von der Ticketausgabe zum Hauptgate und eben Gelandete vom Hauptgate zu den öffentlichen Transportmitteln. Es ist ein kleiner Bienenstock der Betriebsamkeit und erheblich voller, als ich es mir vorgestellt habe. Irgendwie ist das tröstlich; es gibt mir das Gefühl, unsichtbar zu sein.
    Ich steuere direkt den Schalter von West Air an. Im Gehen spüre ich, wie es in meiner Reisetasche summt. Ich schaue hinein und ziehe das Handy von Life House heraus. Die Hauptnummer von Life House leuchtet auf. Ich überlege eine Sekunde, ob ich drangehen soll, entscheide mich dann aber dagegen. Wenn sie versuchen, mich zu erreichen, kann das nichts Gutes bedeuten. Warum musstest du vor der Betreuerin so eine Show abziehen, Jane? Ich zwicke mir kräftig ins Bein, nur um mich zu ermahnen, nicht noch mehr zu vermasseln.
    Ich schaue auf die Abflugtafel und sehe eine lange Liste abgesagter Flüge, beginnend um fünf Uhr nachmittags. Mein Flug wird immer noch mit der richtigen Abflugzeit angezeigt. Wahrscheinlich zieht ein Sturm auf. Verdammt. Verdammt! Mein Herz beginnt zu rasen, und ich stelle mal wieder fest, wie sehr ich das Leben und das Unerwartete doch hasse, und gelobe, dass ich, wenn Gott mich nur in irgendein Flugzeug befördert, den Plan nicht durchziehen werde, versprochen. Ich lüge natürlich, aber, offen gesagt, wenn ich glauben würde, dass Gott auf die Einzelheiten achtet, wäre ich mit Sicherheit sowieso überhaupt nicht hier. Ich habe die Kreditkarte meiner Mutter in den Ticketautomaten geschoben, und meine Bordkarte wird ausgedruckt. Boardingzeit fünfzehn Uhr dreißig. Danke, lieber Gott!
    Bevor ich mich zu Gate zwölf aufmachen kann, muss ich durch die Sicherheitskontrolle. Sie haben für den ganzen Flughafen nur zwei Metalldetektoren, und die Sorge, meinen Flug zu verpassen, treibt mir den Schweiß aus den Poren. Ich schaue auf meine Taschenuhr, es ist erst zwanzig nach zwei. Ich krieg das schon hin, rede ich mir gut zu.
    Vor mir steht eine Schlange von ungefähr zehn Personen, die darauf warten, abgefertigt zu werden. Ein junger Kerl mit Punkfrisur und einem Snowboard hat Schwierigkeiten, den rechten Metalldetektor zu passieren. Wahrscheinlich ist er mal von einer Skateboard-Rampe gestürzt und hat nun eine Metallplatte im Kopf. Ich könnte ihn umbringen. Er sieht mich an, als wolle er sagen: »Tut mir leid
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