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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Autoren: Patrick Roth
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und verzweifelt war der. Und ließ nicht mit sich reden. Blutrot, sagte er, erscheine ihm nun das Rot der Felsen der Steige, die wir stiegen hinauf. Und er sprach zu uns: »Zu lange hat gezögert der Älteste. Hätte uns früher aussenden sollen. Vergebens ist alles, nichtig war unser Vorhaben, eitel sein Traum. Denn zu sichern ist nichts hier.« Und er wollte zurück zu den Unseren, es so dort zu melden.
    Die anderen aber sagten, sie hätten in Pella versprochen, alles zu wagen. Und wollten nicht – schon gar nicht auf Nachrichten eines Hergelaufenen hin – zurückkehren, ohne sagen zu können: »Wir haben’s selbst gesehn.« Etwa: »Das Grab liegt zerstört, aber wir kennen den Ort.« Oder gar: »Noch unzerstört liegt es, aufbewahrt.« Denn ob zerstört sei, wonach sie suchten, oder ob unversehrt der Ort, davon habe der Herbeigelaufene ihnen ja nicht gesprochen. Denn der sei von keinem ausgesandt, nach dem Grab zu suchen – eher aber zu versuchen die vier, aufzugeben Hoffnung und Auftrag.
    Da stieg der vierte hinab und hatte aufgegeben die Hoffnung. Die anderen drei aber stiegen voran.
    Als es uns nun, Tage nach dem Abschied aus Pella, gelungen war, bei Nacht durch den Ring der Römer und ins Tal der Toten selbst zu gelangen, mußten wir zunächst den Schwarzbach queren, den Kidron, eintauchen in ihn, auf dem manches Feuer römischer Wachen sich spiegelte, und ohne das Haupt zu erheben durch ihn hindurch ans andere Ufer kriechen.
    Der Bach aber stank, sein Wasser biß in die Haut und drang wie Erbrochenes zwischen die Lippen, zwängte sich zwischen Schlitze geschlossener Augen und führte Fäulnis und Schmutz und Verunreinigung aller Art. Schwarz aber färbten den Bach auch Schlachtungsreste und Opferblut, die, wie wir später erfuhren, durch einen Schacht am Altar auf dem Tempelberg selbst bis hinab in die Tiefe des Tals und den Bach geschwemmt wurden.
    Dann, bodennah, stahlen wir uns zwischen den abgeworfenen Leichen hangaufwärts an die Stadtmauer.
    Und suchten in einem Bereich, den uns die Brüder genauer bezeichnet hatten, im Dunkeln am Fuße der Quader nach einer Stelle. Sie sollte ertastbar sein, kenntlich, jene Stelle am einzigen Stein. Der Stein aber ruhe, so sagten sie uns, auf Kniehöhe schon: um weniger als eine Handbreit aus der Fläche der Mauer herausgerückt.
    Kurz vor Morgengrauen erst glaubten wir, mehr aus Verzweiflung als mit völliger Sicherheit, tastend die bezeichnete Stelle gefunden zu haben.
    Und legten uns wie Verendete nieder, nahe beim Stein.
    Und lagen drei Tage vor ihm wie tot unter Toten.
    Und aus Angst, von Bogenschützen gesehen zu werden, rührten uns nicht bei Tage, sondern lagen unbeweglich zwischen den Kadavern am Kidronhang. Und wagten nicht zu verscheuchen die Aasfresser, wenn sie mit Flügelschlag setzten von jenen herüber auf uns.
    Und warteten zwei Nächte lang auf die Nacht.
    Und flüsterten miteinander: wessen Hand denn zuerst ertastet habe den Stein? Und ob der sich geirrt haben könnte aus Ermüdung? Und ob er die Worte – aus Verzweiflung vielleicht, vor Anbruch des Tages nicht mehr fündig zu werden, sondern vom Bogenschützen gesichtet – zu rasch an die anderen weitergegeben, flüsternd: »Der Stein ist gefunden, hier ist die Stelle.«
    Und flüsterten hin und her, ob die anderen beiden es unserem Finder nachgemacht hätten oder ob sie nicht, nämlich mit eigener Hand, noch bei Nacht, nachgeprüft hätten die Stelle, die jener so glücklich gefunden.
    Und ob die anderen ebenso befunden hätten oder ob nicht: nämlich daß dieser Stein, ertastbar auf der Höhe des Knies, um weniger als eine Handbreit aus der Mauer hervorstünde.
    Oder ob bei Nacht, vor Erschöpfung, dem Finder zu rasch zugestimmt worden sei, nicht aber nachgesucht mit der Hand, messend auf der Höhe des Knies und messend, nicht was wir unbedingt finden wollten , sondern was wirklich hier war.
    Schließlich aber, ob es, hätte die Hand unseres Finders richtig gemessen, nicht noch weitere Steine geben könnte wie diesen, auf gleicher Höhe nämlich, linkshin oder rechtshin, und nicht nur den einen, vor dem wir nun lagen.
    Und gegen unsere Zweifel noch, die nicht still wurden, auch als wir untereinander schwiegen, durchwarteten wir die Nacht, daß uns einer herabließe den Toten, wo wir lagen wie tot. Uns dann aber ließe das Seil.
    Denn das endlich und einzig wäre uns Zeichen: hinaufzusteigen zu ihm.
    Am zweiten Tag aber, da wir reglos lagen, kam ein Sandsturm, der hielt an durch die
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