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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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wenn sie zusammenbräche.
    Megan tat ihr Bestes, um seine Besorgnis zu ignorieren. Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu und humpelte zum Fenster, schwer auf die Krücke unter ihrem linken Arm gestützt.
    »Solange ich verspreche, nicht die Gänge auf und ab zu rennen, und Obszönitäten zu brüllen.«
    Sie hätte sich nie träumen lassen, daß so viele verschiedene Körperteile gleichzeitig schmerzen konnten. Aber sie würde auch das überstehen, bei aller Härte, weil sie keine andere Wahl hatte. »Ich muß ein bißchen stehen, der Zorn fängt wieder an zu 691
    nagen.« Sie lehnte sich in die Fensternische.
    Draußen war es Nacht geworden. Schwarz über einer Decke von unberührtem Weiß. Der Wind hatte die Schneewehen auf dem Krankenhausrasen in elegante Wellen geformt. Sie spürte Mitch hinter sich stehen, seine Wärme, seine Energie und war versucht, sich an ihn zu lehnen. Sie sah sein vages Spiegelbild in ihrem Fenster, dunkle Schatten mit gehetzten Augen.
    »Aber das Leben ist nicht ganz schlecht«, Zynismus schwang in ihrer Stimme. »Ich kriege eine Belobigung vom Bureau, verliere zwar meinen Außendienstposten, aber erhalte eine Belobigung. Das ist immerhin Klassen besser als ein
    Kündigungsschreiben, nehme ich an. Und Paige läßt die Klage fallen angesichts der Fotos, die der alte Henry Forster geschossen hat, als sie sich aus Steigers Wohnwagen rein- und rausschlich. Was für ein Glück für mich, daß sie zu gierig auf Details war, um ihr Höschen anzubehalten.«
    »Gier ist ein tolles Motiv.«
    »Das kann man wohl sagen«, pflichtete sie ihm bei. »Ich wünschte nur, Gier wär auch das einzige Motiv bei diesem Fall.
    Wenigstens ist das etwas, was jeder verstehen kann. Wrights Motiv … Wie sollte jemand ein so krankes Spiel wie seines verstehen?« Mitch hatte keine Antwort parat. Genausowenig wie sie.
    »Sagt er was?« fragte sie leise.
    »Nein.«
    »Du hast den Platz, an den er mich gebracht hat, noch nicht gefunden?«
    »Noch nicht. Das könnte dauern.«
    »Und Josh …«
    »Wir kriegen das Versteck«, sagte Mitch entschlossen, als gäbe es nicht Hunderte von Fällen, die nie gelöst wurden. »Wir werden weitersuchen, bis wir ihn haben!«
    692
    »Ich hab sein Gesicht gesehen«, Megan zögerte. »Zwischen den Schlägen. Ich hab ihn gesehen, aber ich weiß nicht, ob ich bei Bewußtsein war oder ob es sich um eine Halluzination handelte, ob es real war. Wie gerne würde ich es beschwören, aber leider kann ich das nicht.«
    Sie bekam Kopfschmerzen, wenn sie versuchte, das Reale von den Sinneseindrücken zu trennen. Und die Tatsache, daß Wright ein Psychologe war, ein Experte in Lernen und Wahrnehmung, machte alles noch komplizierter. Wäre es möglich, daß er dieses Bild einfach in ihr Bewußtsein gepflanzt hatte? Die Möglichkeit bestand, aber das erklärte nicht das Gespräch, das sie heute morgen mit Hannah geführt hatte.
    Hannah war persönlich gekommen, um ihr den Rosenbusch zu bringen. Sie sah blaß und dünn aus, als gehöre sie selbst ins Bett, anstatt neben einem zu stehen. Megan bekam die Pflanzen überreicht, und Hannah bedankte sich für ihren Einsatz.
    »Ich hab mich erwischen und verprügeln lassen«, gab Megan zu. »Eigentlich habe ich Ihren Dank nicht verdient.«
    »Dank Ihnen ist Garrett Wright hinter Gittern«, sagte Hannah schlicht.
    Megan fragte nicht, wie ihr in dieser Situation zumute war, in der ein Nachbar, jemand dem sie vertraute, sie durch eine unvorstellbare Hölle gejagt hatte. Diese Frage würden noch genug Leute stellen und in der offenen Wunde ihrer Seele herumstochern.
    »Ich muß fragen«, murmelt Hannah und gab sich Mühe, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Ihr Blick huschte von Megan zu dem Viereck Bettdecke, das sie unaufhörlich mit den Fingern glattstrich. Sie wollte etwas sagen, hielt inne, holte tief Luft und machte einen erneuten Anlauf. »Hat er … irgend etwas
    … über Josh gesagt?«
    »Nein«, flüsterte Megan und wünschte sich von ganzem
    Herzen, sie könnte ihr etwas bieten, irgendeinen Hoffnungs-693
    anker, daß Josh noch am Leben war. Aber alles, was sie hatte, war diese möglicherweise von Drogen ausgelöste Vision. Sie sah zu Hannah auf, zu den dunklen Ringen um ihre Augen und dem Bangen, das sie nicht verbergen konnte, und traf ihre Entscheidung. Ein Hauch von Chance war besser als gar keine.
    »Etwas … habe ich … gesehen«, begann sie. Sie wählte ihre Worte so vorsichtig, als taste sie sich durch ein Minenfeld. »Er hat mich
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