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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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in dieser Geschichte zum Helden hochzustilisieren. Ich bin kein Held und habe meinen Job verrichtet – wenn ich ihn besser erfüllt hätte, wäre es gar nicht zu der wilden Jagd gekommen. Bei dieser Sache gibt es nur einen Helden, Agent O’Malley. Sie hat ihr Leben riskiert und es beinahe verloren bei dem Versuch, Josh Kirkwoods Entführer seiner gerechten Strafe zuzuführen. Euer Held ist diese Frau.«
    »O Mitch …«
    »Es stimmt aber!«
    Er stand in der Tür, mit schiefer Krawatte und zerzausten Haaren, sah abgehalftert und müde aus, seine Schultern waren gebeugt. Jessie stand neben ihm, mit einer gestreiften Plüschkatze im Arm. Natalie trieb sie vor sich her ins Zimmer.
    »Laß mich ja nicht auf dem Gang stehen, wo jeder verirrte Schwester mir eine Nadel in meinen einladenden Hintern rammen könnte.«
    Megan schluckte und zwang sich zu lächeln. »He, schau mal, wer da eine Katze reinschmuggelt. Tag, Jessie! Danke für deinen Besuch.«
    »Ich hab dir Whiskers mitgebracht«, Jessie präsentierte das Plüschtier, als Mitch sie hochhievte und auf eine der unteren Seitengitter des Bettes stellte. »Damit du nicht Heimweh nach deinen richtigen Katzen kriegst.«
    Das Spielzeug war ziemlich abgewetzt von aktiver Zuneigung.
    Die mit rosa Satin gefütterten Ohren hingen ausgefranst runter, und die langen weißen Schnauzhaare hatten Knicke. Megan schossen die Tränen in die Augen bei dem Gedanken, daß Jessie ihr diesen heißgeliebten Schatz anvertraute. Sie rieb mit den Fingerspitzen über das weiche Fell.
    »Danke, Jessie«, flüsterte sie.
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    »Ich und Daddy passen ganz gut auf Gannon und Friday auf«, berichtete Jessie und sah zu, wie sie das Viech streichelte. »Sie mögen mich.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Und sie spielen gerne mit Schnur.« Sie sah Megan durch ihre Wimpern an. »Daddy hat gemeint, ich darf sie vielleicht auch noch besuchen, wenn’s dir wieder bessergeht.«
    »Das würde ihnen bestimmt gefallen.« Megans Herz wurde schwer angesichts der Tatsache, daß Jessie die Katzen im Haus an der Ivy Street bald nicht mehr besuchen könnte, weil sie dort kaum mehr lange wohnte.
    »Daddy sagt, du wirst nicht in den Himmel gehn wie meine Mami«, fuhr Jessie mit ernster Miene fort. »Da bin ich froh.«
    »Ich auch.« Megans Stimme brachte nur ein Quieken
    zustande. Sie hatte sich nie gestattet, jemanden gernzuhaben, weil sie wußte, daß es weh tun würde. Schon die Sehnsucht nach etwas, das sie nicht haben konnte, verkniff sie sich, denn selbstverständlich würde auch diese Beziehung enden. Es tat jetzt wirklich weh, das Verlangen, Jessie an sich zu ziehen und sie zu umarmen.
    »Ich hab Plätzchen mitgebracht«, eilte Natalie zu Hilfe. Sie klaubte eine riesige Tupperwareschachtel aus ihrer Tasche wie ein Zauberer, der einen Elchkopf aus dem Hut zieht, und knallte sie auf den Nachttisch.
    »Mit Schokostückchen. Du mußt gemästet werden.« Ihr
    Adlerauge richtete sich auf Megan. »So, und jetzt dallidalli, daß du hier rauskommst, Agent O’Malley. Dieser Knabe mit dem Hundelook, den das Bureau geschickt hat, wird mich demnächst in den Wahnsinn treiben.«
    »Ich glaube, du solltest dich an ihn gewöhnen«, sagte Megan mit einem wehmütigen Lächeln.
    Natalie räusperte sich. »Das werden wir ja sehen«, grollte sie 690
    kampfbereit. Sie fischte ein paar Kekse aus der Schachtel, gab Jessie einen Schubser und zwinkerte ihr zu. »Komm, Miss Muffet, schaun wir mal, ob wir ein bißchen Milch auftreiben können, damit wir dir den Appetit fürs Abendessen verderben.«
    »Ich komm wieder, Megan!« Jessie beugte sich über das Gitter und hob die Hand zum Siegeszeichen, dann kletterte sie runter und hüpfte aus dem Zimmer, mit Natalie auf ihren Fersen.
    Megan sah hinunter auf Whiskers und strich gedankenverloren über ein ausgefranstes Ohr. »Sie ist schon etwas Besonderes.«
    »Finde ich auch«, sagte Mitch. »Aber ich bin vielleicht ein bißchen voreingenommen.«
    Er nahm behutsam ihr Gesicht und hob es zu seinem. »Wie fühlst du dich?«
    »Als ob mich ein sadistischer Psychopath von Kopf bis Fuß mit einem Stock bearbeitet hätte.«
    »Dieses Schwein. Ich würde ihm zu gern zeigen, wie sich das anfühlt.«
    »Immer schön der Reihe nach.« Megan wandte sich von ihm ab, schwang ihre Beine seitlich heraus und steckte ihre bloßen Füße in ein Paar Krankenhausschlappen.
    »Darfst du denn aufstehen?« fragte Mitch erschrocken. Er ging um das Bett herum und stellte sich neben sie, bereit sie aufzufangen,
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