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Suehne

Suehne

Titel: Suehne
Autoren: Leif GW Persson
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als kleiner Junge hatte er mehr Ermordete und Verstümmelte gesehen als fast alle anderen neun Millionen Einwohner seiner neuen Heimat. Septimus Akofeli war klein und schmächtig, er war ein Meter siebenundsechzig groß und wog fünfundfünfzig Kilo. Er war dabei sehr durchtrainiert, was kein Wunder war, wenn man bedachte, dass er jeden Morgen zwei Stunden lang Treppen auf- und ablief und dann den Rest des Tages damit verbrachte, ungeduldig wartende Kunden, die noch dazu Rücksicht auf die Umwelt nahmen und die man deswegen nicht unnötig warten lassen konnte, im Eiltempo per Fahrrad mit Briefen und Paketen zu versorgen.
    Septimus Akofeli sah mit seiner dunklen, olivfarbenen Haut, seinen klassischen Gesichtszügen und einem Profil, wie man es in Bildern auf antiken ägyptischen Vasen fand, sehr gut aus.
    Was im Kopf eines Inspektors mittleren Alters vorging, der in der Einsatzzentrale der Stockholmer Polizei arbeitete, wusste er natürlich nicht.
    Erst hatte er getan, was man ihm gesagt hatte, und am Telefon gewartet. Nach ein paar Minuten hatte er dann kopfschüttelnd sein Handy ausgeschaltet, weil ihn die Polizei vergessen hatte. Dann hatte er seine Zeitungstasche abgestellt und sich vor der Wohnungstür auf die Treppenstufen gesetzt, um wie versprochen im Haus zu bleiben.
    Ein paar Minuten später hatte er Gesellschaft erhalten. Erst hatte jemand vorsichtig die Haustür geöffnet und wieder geschlossen. Dann waren leise Schritte auf der Treppe zu hören gewesen. Dann war ein männlicher Polizist um die vierzig in Uniform aufgetaucht und hinter ihm seine bedeutend jüngere, ebenfalls uniformierte Kollegin. Der Polizist hatte eine Hand auf seiner Waffe gehabt und mit dem linken Arm auf ihn gedeutet. Seine jüngere Kollegin hatte bereits ihren Schlagstock in der Rechten gehalten.
    »Okay, jetzt machen wir es so«, hatte der Streifenpolizist gesagt und Akofeli zugenickt. »Erst strecken wir die Hände über den Kopf, dann stehen wir ganz ruhig auf und stellen uns mit dem Rücken zu uns mit gespreizten Beinen hin ... «
    Wer, wir?, hatte Septimus Akofeli gedacht und getan, wie ihm geheißen.
     

4
    Hasselstigen ist eine kleine, knapp zweihundert Meter lange Querstraße des Rasundavägen, etwa einen halben Kilometer vom Fußballstadion Rasunda entfernt und ganz in der Nähe der ehemaligen Filmstudios von Svensk Filmindustri in der sogenannten Filmstadt gelegen, einem mittlerweile exklusiven Wohnviertel mit Eigentumswohnungen. Hier wohnen ganz andere Leute als im Hasselstigen 1.
    Das Haus Hasselstigen 1 war im Herbst 1945 ein halbes Jahr nach Kriegsende gebaut worden. Die Leute in der Gegend nannten es das Haus, das Gott oder zumindest der Vermieter vergessen hatte.
    Das Backsteinhaus hatte fünf Stockwerke und umfasste etwa dreißig kleinere Ein- oder Zweizimmerwohnungen. Die Renovierung der Fassade, die der Abflussrohre und von vielem anderen war seit langem überfällig.
    Auch die Mieter hatten bessere Zeiten gesehen, etwa zwanzig waren allein stehend, und die meisten waren Rentner. Außerdem gab es acht ältere Paare, allesamt Rentner, und eine neunundvierzigjährige Frau, die mit einem neunundzwanzigjährigen Sohn, einem Frührentner, in einer Zweizimmerwohnung lebte. Bei den Nachbarn galt er als etwas seltsam, aber nett, harmlos und hilfsbereit. Er hatte immer mit seiner Mutter zusammengewohnt. Seit einiger Zeit wohnte auch er alleine, da seine Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte und seit einigen Monaten in einer Rehaklinik betreut wurde.
    Elf Mieter bezogen eine Tageszeitung, sechs Dagens Nyheter und fünf Svenska Dagbladet. Seit einem Jahr sorgte Septimus Akofeli dafür, dass sie jeden Morgen in den Briefkästen lagen, und zwar pünktlich gegen sechs und ohne dass er das Zustellen auch nur ein einziges Mal versäumt hätte. Im Haus Hasselstigen 1 wohnten insgesamt 41 Personen. Oder vierzig, wenn man genau sein wollte, da eine gerade ermordet worden war, und bereits am Nachmittag hatte die Polizei Solna eine Liste sämtlicher Hausbewohner einschließlich des Opfers zusammengestellt.
    In der Zeit zwischen dem Eingehen des Alarms bei der Einsatzzentrale und dem Erstellen der Liste der Hausbewohner hatte sich einiges ereignet. Unter anderem war der Ermittlungsleiter der Polizei Solna, Kriminalkommissar Evert Bäckström, bereits gegen zwanzig vor zehn am Tatort eingetroffen, also nur dreieinhalb Stunden nachdem bei seinen Kollegen im »Bunker« der Alarm eingegangen war. Das war in Anbetracht der Tatsache, dass
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