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Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Titel: Südlich der Grenze, westlich der Sonne
Autoren: Haruki Murakami
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nicht wiedersehen. Ich dachte, sobald ich dich gesehen hätte, würde ich es nicht mehr aushalten. Aber dann konnte ich nicht anders. Ich wollte mich nur überzeugen, ob du es wirklich warst, und sofort wieder gehen. Aber als ich dich dann sah, musste ich dich ansprechen«, sagte Shimamoto, ihren Kopf an meine Schulter gelehnt. »Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich mir gewünscht, dass du mich in die Arme nimmst. Das hast du sicher nicht gewusst?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Schon mit zwölf habe ich mir gewünscht, nackt in deinen Armen zu liegen. Auch davon hast du sicher nichts geahnt?«
    Ich drückte sie an mich und küsste sie. Sie schloss die Augen und bewegte sich nicht. Unsere Zungen begegneten sich, und ich spürte, wie unter ihrer Brust ihr Herz schlug. Es schlug heftig und warm. Ich schloss die Augen und dachte an das rote Blut in ihrem Herzen. Ich streichelte ihr weiches Haar und sog seinen Duft ein. Ihre Hände fuhren über meinen Rücken, als suchten sie dort etwas. Die Schallplatte endete, der Plattenteller blieb stehen, und der Tonarm schwenkte zurück in die Halterung. Nur das Rauschen des Regens hüllte uns ein. Nach einer Weile öffnete Shimamoto die Augen und sah mich an.
    »Hajime«, flüsterte sie. »Bist du sicher? Willst du mich wirklich? Willst du wirklich alles für mich aufgeben?«
    Ich nickte. »Ja. Mein Entschluss steht fest.«
    »Aber wenn du mir nicht begegnet wärst, hättest du doch dein jetziges Leben fortführen können. Ohne Unzufriedenheit und Zweifel. Meinst du nicht?«
    »Durchaus möglich. Aber ich habe dich nun einmal wiedergesehen. Und jetzt kann ich nicht mehr zurück«, sagte ich. »Es ist, wie du einmal gesagt hast: Gewisse Dinge lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Du kannst dann nur noch vorwärts. Lass uns zusammen fortgehen, egal wohin. Und noch einmal von vorn anfangen, nur wir beide.«
    »Hajime«, sagte Shimamoto. »Ziehst du dich aus und zeigst mir deinen Körper?«
    »Ich?«
    »Ja, du zuerst. Ich möchte zuerst dich nackt sehen. Willst du nicht?«
    »Doch. Wenn du es möchtest«, sagte ich. Ich zog mich vor dem Ofen aus. Meinen Anorak, mein Polohemd, meine Jeans, die Socken, T-Shirt und Unterhose. Shimamoto ließ mich nackt auf dem Boden niederknien. Mein Penis war bereits steif, was mir etwas peinlich war. Sie betrachtete mich aus kurzer Entfernung. Sie hatte noch immer ihre Jacke an.
    »Es fühlt sich seltsam an, allein nackt zu sein.« Ich lachte.
    »Er ist so schön, Hajime«, sagte Shimamoto. Sie kam zu mir, umschloss sanft mit der Hand meinen Penis und küsste mich auf die Lippen. Dann legte sie ihre Hände auf meine Brust. Lange leckte sie an meinen Brustwarzen und streichelte mein Schamhaar. Sie legte ihr Ohr auf meinen Bauch und nahm meine Hoden in den Mund. Sie küsste mich am ganzen Körper, sogar an den Fußsohlen. Es war, als liebkoste sie die Zeit als solche. Ja, sie streichelte die Zeit, saugte sie ein und schmeckte sie.
    »Willst du dich nicht ausziehen?«, fragte ich.
    »Später«, sagte sie. »Ich möchte dich zuerst ansehen und berühren und schmecken, solange es mir gefällt. Aber wenn ich mich jetzt nackt ausziehe, wirst du mich doch sofort anfassen wollen, stimmt’s? Auch wenn ich es nicht möchte?«
    »Ja, vermutlich.«
    »Aber so will ich es nicht. Wir haben so lange gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Jetzt will ich nicht hetzen. Zuerst will ich dich mit meinen Augen ansehen, mit meinen Händen berühren, mit meiner Zunge schmecken. Deinen Körper langsam erforschen. Erst dann kann ich weitergehen. Auch wenn dir das, was ich tue, seltsam vorkommt, stör dich nicht daran. Ich muss es tun. Sag nichts, und lass mich gewähren.«
    »Das stört mich nicht. Tu, was immer du tun möchtest. Es ist nur ein seltsames Gefühl, so eingehend betrachtet zu werden.«
    »Aber du gehörst doch mir?«
    »Ja!«
    »Dann gibt es keinen Grund, dich vor mir zu schämen.«
    »Du hast recht«, sagte ich. »Ich muss mich nur daran gewöhnen.«
    »Hab ein wenig Geduld. Ich habe so lange davon geträumt«, sagte Shimamoto.
    »Du hast davon geträumt, mich anzuschauen? Meinen nackten Körper zu berühren, während du völlig angezogen bist?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich stelle mir das schon sehr lange vor. Stelle mir vor, wie du nackt aussiehst. Wie dein Penis aussieht, wie hart er wohl wird und wie groß.«
    »Aber warum?«, fragte ich.
    »Was ist denn das für eine Frage? Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich liebe. Wieso soll man sich den Körper
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