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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist
Autoren: Friedrich Ani
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haben uns alle gewundert, Jens und Ludger genauso, alle. Schon vor drei oder vier Monaten hat er angekündigt, dass er in dieser Woche Urlaub nehmen muss, wir haben ihn gefragt, was los ist, in den zwei Jahren, seit ich im Büro bin, hat er nie Urlaub genommen.«
    MH: »Was war seine Begründung?«
    Alina: »Keine! Er hat nur gesagt, er will eine Woche nach München. Wir haben ihn gefragt, ob er dort Karneval feiern will, er hat nichts dazu gesagt.«
    MH: »Zu Ihnen auch nicht?«
    Alina: »Zu mir? Nein. Zu mir auch nicht.« MH: »Haben Sie ihn nicht gefragt?«
    Alina: »Doch.« MH: »Und?«
    Alina: »Nichts und. Er hat mir nichts gesagt. Entschuldigen Sie, ich müsste jetzt weitermachen, wir haben hier Probleme mit dem Aufsichtsrat des Konzerns, für den wir gerade ein neues Projekt entwerfen, sehr wichtiger Auftrag, enge Verbindung mit der thüringischen Landesregierung, Sie verstehen schon.«
    MH: »Was ist das für ein Projekt?«
    Alina: »Das möcht ich Ihnen nicht sagen, da müssen Sie mit Herrn Bachmann oder Herrn Vogl sprechen.«
    MH: »Wann haben Sie Edward Loos zum letzten Mal gesehen?«
    Alina (nach einer langen Pause): »Am Sonntag. Bevor er nach München abgefahren ist.«
    MH: »Und er hat Ihnen auch an diesem Sonntag nicht gesagt, was er in München machen will.«
    Alina: »Nein.«
    MH: »Was haben Sie vermutet?« Alina: »Nichts.«
    MH: »Sie haben eine andere Frau vermutet.« Alina: »Er kann machen, was er will.«
    MH: »Wissen Sie, ob er Verwandte in der Stadt hat?« Alina: »In München? Weiß ich nicht.«
    MH: »Hat er nie mit Ihnen über seine Eltern gesprochen?«
    Alina: »Ich hab ihn mal gefragt, aber er ist nicht weiter drauf eingegangen. Ich muss jetzt wirklich los.«
    MH: »Seine Mutter lebt in München.«
    Alina: »Warum fragen Sie mich dann, wenn Sie es wissen.«
    MH: »Hat er Ihnen gesagt, wann er nach Erfurt zurückkommt?«
    Alina: »Am Montag muss er im Büro sein, da haben wir eine extrem wichtige Sitzung. Ich hab Ihnen doch gesagt, er hat eine Woche Urlaub genommen, nicht länger.«
    MH: »Und Sie haben nicht die geringste Idee, wo er sich aufhalten könnte?«
    Alina: »Nein, und das geht mich auch nichts an.«
    Nach mehreren vergeblichen Versuchen und einem kurzen Gespräch mit Jens Vogl gelang es Martin Heuer in einer Sitzungspause, Ludger Bachmann ans Telefon zu bekommen. Über das Verschwinden seines Kompagnons schien der Architekt sich wenig zu wundern.
    MH: »Wieso haben Sie Edward Loos heute vor zwei Wochen zum letzten Mal gesehen? Waren Sie in der vergangenen Woche verreist?«
    Bachmann: »Ich war nicht verreist, er war abwesend. Wenn ich im Büro war, war er gerade draußen, und wenn ich an der Baustelle war, war er sonstwo.«
    MH: »Wo denn?«
    Bachmann: »Ich weiß nicht, was passiert ist, Herr Heuer. Es interessiert mich auch nicht besonders, wir haben hier ein Projekt, das gestartet ist, und jetzt taucht ein Eisberg aus dem Nebel auf. Das ist nicht lustig, wir müssen das Steuer rumreißen, verstehen Sie mein Problem? Wenn das Projekt platzt, muss ich Leute entlassen, ich verliere Millionen, vom Prestige ganz zu schweigen. Und in dieser entscheidenden Woche nimmt mein Kollege Urlaub, das ist das, was zählt.«
    MH: »Hat er gewusst, wie wichtig diese Woche sein würde, als er den Urlaub angemeldet hat?«
    Bachmann: »Herr Heuer! Wir sind ein Team! Bachmann-Vogl-Loos, wir leiten alle drei dieses Büro, bei uns braucht niemand seinen Urlaub anzumelden, wir sprechen uns ab, fertig. Natürlich hat sich die Situation in den letzten sechs Wochen verschärft, die Umstände ändern sich manchmal. Dann muss ich meinen Urlaub verschieben, dann muss ich eine flexible Lösung finden. Wenn Sie einen Mord aufzuklären haben, können Sie auch nicht sagen, ich hab jetzt Feierabend.«
    MH: »Edward Loos konnte also nicht damit rechnen, dass er gerade in dieser Woche besonders gebraucht wird.«
    Bachmann: »Doch. Er konnte damit rechnen, seit mindestens zwei Monaten. Und ich habe ihn gebeten zu bleiben, eindringlich habe ich ihn gebeten. Er wollte nicht.
    Er hat zu mir gesagt, er kann diese Reise nicht verschieben. Jetzt sagen Sie, er ist verschwunden, gut, in meinen Augen ist er seit einer Woche verschwunden, denn ich weiß nicht, wieso er in München und nicht hier in Erfurt ist. Und ich weiß nicht, warum er sich seit zwei Tagen nicht erkundigt, wie es mit unseren Verhandlungen steht. Von diesen Verhandlungen sind nämlich wir alle abhängig, er auch, er am meisten.«
    MH: »Wie meinen
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