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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist
Autoren: Friedrich Ani
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gelegentlich fragte ich aus purer Notwehr, andernfalls hätte ich mein Gegenüber einfach stehen lassen, mich umgedreht und gegen die Wand geschrien.
    »Zoll«, murmelte der junge Mann.
    »Was?«, sagte ich laut. Meine Stimme kam mir ungezügelt über die Lippen. Der Junge zuckte zusammen und mit ihm die ganze Reihe. Sonja zupfte missgestimmt an ihrer Nase.
    »Ingo Zoll«, sagt der Rothaarige.
    Ich zog meinen kleinen karierten Spiralblock aus der Hemdtasche und notierte den Namen.
    »The Knightfish.«
    »Bitte?«, sagte ich.
    »Unter Knightfish tret ich auf.«
    »Nachtfisch?«
    Jemand gab einen kehligen Laut der Belustigung von sich, ohne dass das Gesicht davon profitierte. Ich hatte nicht aufgepasst, wer es war.
    »Night heißt Ritter«, sagte Ingo.
    »Hast du eine Ahnung, wo dein Kollege stecken könnte, Ingo?«
    »Hab ich nicht«, sagte er. Nach einer Pause, in der er die Stirn runzelte und stöhnte, sah er in die Gesichter der anderen und wischte sich über den Mund. »Ich habs dem Jeepster am Telefon schon gesagt, ich weiß nix, der Vagabond ist ganz normal, er ist ein Air-Guitar-Ass, darüber haben wir gesprochen, über sonst nix. Über Air-Guitar-Moves und so Sachen, über sonst nix.«
    »Was sind Air-Guitar-Moves?«, fragte Sonja.
    »Mann!«
    »Die Bewegungen auf der Bühne«, sagte ich.
    »Was denn sonst?«
    »Hat jemand von euch mit Edward Loos gesprochen?«, sagte Sonja, die eine innere Pumpgun für Leute besaß, die ihr die Zeit raubten. »Ihr seid hier tagelang beieinander, jeden Abend, ihr trinkt zusammen, erzählt ihr euch nichts Privates? Was ihr sonst so macht?«
    »Wie sonst so?«, sagte einer der Blassen, der älter aussah als er vermutlich war, die Augenringe hingen ihm fast bis zu den Knien.
    »Arbeit! Leben! Wirklichkeit!«, sagte Sonja laut, als verkünde sie ein Manifest. Brodelnd vor Verlangen stand ich neben ihr und starrte sie an, wie die versteinerten Air-Guitar-Movers mich anstarrten.
    »Ach so«, sagte der junge Mann. Dann herrschte auf der ganzen Linie Schweigen. Nach einer Weile kam Faks, der Wirt, zurück und stellte sich an den Rand des Tresens.
    »Heut ist Pause«, sagte er.
    »Heut bleiben die Gitarren im Schrank, heut Abend ist normaler Betrieb. Ich muss eine Menge erledigen, wenns euch nichts ausmacht, würd ich dann gern gehen. Ihr kriegt doch eh nichts raus.«
    »Sonst hat niemand was zu sagen«, sagte ich. Niemand sagte etwas.
    »Jetzt seid ihr extra hergekommen.«
    »Der Jeepster hat gesagt, wir sollen kommen«, sagte Knightfish.
    »Der schaffts«, sagte The Opera unvermittelt.
    »Was schafft er?«, fragte Sonja.
    »Den Sieg, wasn sonst?«
    »Dazu muss Edward Loos erst zurückkommen«, sagte ich.
    »Wie heißt der?«, sagte einer, der bisher keinen Ton von sich gegeben hatte.
    »Edward Loos«, sagte ich. »Weißt du was über ihn?«
    »Nö.«
    »Der hat doch einen Bruder, oder?«, sagte Faks. »Habt ihr mit dem schon geredet?«
    »Was für einen Bruder?«, sagte ich.
    »Einen Bruder.«
    Faks schaute auf die Uhr und schlug mit der Hand auf die Theke. »Los jetzt!«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Sonja.
    »Er hat von ihm geredet, beim Rausgehen, gestern, vorgestern, was weiß ich.«
    »Vorgestern, am Mittwoch, wollte er abends seine Mutter besuchen«, sagte ich.
    »Ja, ja«, sagte Faks. »Ich hab ihn nicht gefragt, er war ziemlich angesoffen, er hat irgendwas von seinem Bruder gelabert.«
    »Was hat er gelabert?«, sagte ich.
    »Weiß ich nicht.«
    »Es ist wichtig«, sagte Sonja sehr diszipliniert.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Faks und schaute sie an, als wäre sie eine Luftgitarristin.
    »Bruder kann sein«, sagte Knightfish. »Er hat mal einen erwähnt, glaub ich. Ich glaub, ja.«
    Doch mehr an Glauben war nicht aus ihm herauszubekommen.
    Auf der Straße musste ich zwanzig eisgekühlte Hände schütteln. Gegen die Hilfsbereitschaft und Höflichkeit von Luftgitarristen konnte man nichts sagen.

2
    A m Mittag dieses Freitags, dem dreizehnten, gab es keinen Zweifel: Der siebenunddreißigjährige Architekt Edward Loos war verschwunden. Zumindest ließen die Befragungen, die Martin Heuer den ganzen Vormittag über durchgeführt hatte, keinen anderen Schluss zu. Allerdings hatte er mit Mildred Loos, der Mutter, bisher nur kurz sprechen können, da sie wegen eines dringlichen Zahnarzttermins keine Zeit gehabt, immerhin aber erklärt hatte, sie habe von ihrem Sohn seit Mittwoch Abend nichts mehr gehört.
    »Hat sie ihren zweiten Sohn nicht erwähnt?«, fragte Sonja.
    »Nein«,
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