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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Autoren: Kai Meyer
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begriff er, dass er in einem Kokon aus Teppichbahn gefangen war, in einem diffus dunklen Kern, der so eng war, dass er die Fasern aus Wolle und Drachenhaar am ganzen Körper spüren konnte; er war fest davon umschlungen, wie eingegossen in die schützende Hülle des Teppichs.
    Er bemerkte, dass sie einen Haken schlugen und wieder vom Palast fortrasten. Er konnte nichts sehen, war vollkommen blind, und als er versuchte, abermals Einfluss auf das Muster zu nehmen, sträubte es sich gegen ihn, viel heftiger als zuvor und von einem eisernen eigenen Willen beherrscht.
    Wie das Gebilde aussah, in dem er nun aufwärtsflog, blieb ungewiss. Nur ein Knäuel aus Teppich, in dem er eingewickelt war? Oder etwas anderes, im Ansatz Symmetrisches, eine Nachbildung von – ja, was? Er spürte im Muster, dass da noch mehr war, als zögen die Stränge etwas aus ihm heraus, ein geheimes Wissen, das ihm selbst bislang verborgen geblieben war. Der Teppich, der wundersame, unbegreifliche Teppich des Byzantiners, bildete nach, was das Muster im Geist seines Reiters vorfand.
    Vor seinem gesunden Auge öffnete sich ein Spalt in dem Gebilde, dann konnte er wieder ins Freie sehen. Das schmerzhafte Pochen in seinem Kopf war nahezu alles beherrschend, aber jetzt kehrte auch ein wenig Klarheit zurück.
    Unter ihm lagen wieder die nächtlichen Gärten. Der Teppich raste auf die Mauer des Palastbezirks zu und zugleich steil nach oben. Nicht mehr lange, und sie mussten die unüberwindliche Höhe von hundertfünfzig Schritt erreichen – kein fliegender Teppich konnte sich weiter oben halten. Am Scheitelpunkt ihres Aufstiegs legten sie sich wieder in die Waagerechte, passierten die Mauer und flogen über die flackernden Lichtpunkte Bagdads auf die äußeren Bezirke zu.
    Die Wüste!, durchfuhr es Tarik. Der Teppich flieht in die Wüste!
    Einmal mehr versuchte er, Einfluss auf das Muster zu nehmen, und diesmal war der Widerstand schwächer. Tarik gab Befehl, sich in der Luft zu drehen, damit er aus seinem schützenden Kokon nach hinten blicken konnte, auf die Schar seiner Verfolger.
    Der Teppich tat, was er verlangte, flog dabei aber weiter Richtung offene Wüste, nun jedoch rückwärts, was Tarik nur recht sein konnte.
    Ein gutes Dutzend Teppiche folgte ihm – nur dass sie nicht mehr aussahen wie Teppiche, sondern sich genau wie sein eigener verändert hatten, verschlungen, wie verknotet. Dabei ahmten sie etwas nach – die abstrakten und dennoch erkennbaren Formen von Tieren. Gleich mehrere hatten sich zu Vögeln gefaltet, mit Schwingen und kurzen Schnäbeln aus Knüpfwerk; ein anderer erinnerte vage an eine Raubkatze im Sprung; zwei weitere imitierten fliegende Heuschrecken.
    Welche Tiergestalt hatte sein eigener Teppich angenommen? Keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen. Er war auf der Flucht, mehr als zehn seiner Gegner unmittelbar hinter ihm, und er fragte sich, wie es nun weitergehen sollte. Er war so sicher gewesen, Sabatea befreien zu können.
    Es war wie ein Wahn, eine Trunkenheit, in die ihn sein Zorn, seine Verzweiflung und die Gewissheit seiner Überlegenheit getrieben hatten. Und er glaubte noch immer daran, dass er eine Chance gehabt hätte, wenn ihn sein verletztes Auge nicht im Stich gelassen und er die Flugbahn ins Innere des Palastes besser hätte abschätzen können.
    Amaryllis’ Lachen toste durch seine Gedanken. Noch immer war er nicht sicher, ob wirklich ein Teil des Narbennarren in ihn gefahren oder ob er vielmehr Opfer einer Halluzination war, eines Alptraums, der ihn nicht mehr losließ.
    Der Teppich drehte sich im Flug. Tarik schaute wieder nach vorn, über die Stadtmauern Bagdads hinweg auf die ärmlichen Vororte im Süden, wo weiße Gehöfte und Zelte über den Sand verstreut lagen. Die Versuchung, die Augenklappe zu heben, war groß. Aber er wusste noch immer nicht, was er mit dem Auge des Dschinnfürsten dort unten sehen würde. Er konnte jetzt keine bösen Überraschungen gebrauchen.
    Das Muster alarmierte ihn, dass ihre Verfolger aufholten. Zugleich schob sich etwas in sein Blickfeld, ein heller Fleck vor ihm in der Nacht. Eine weiße Gestalt mit weiten Schwingen, deren Hufe über die Leere galoppierten, als fänden sie Halt auf den Rauchfahnen, die von tausend Feuern und Fackeln im Gassengewirr der Stadt aufstiegen.
    Tarik stieß einen verblüfften Laut aus, als das Elfenbeinpferd in einigem Abstand vor ihm in der Luft verharrte, die Lage erfasste und unvermittelt auf ihn zupreschte, an ihm vorbei und mitten in
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