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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Autoren: Kai Meyer
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erkannt wie Sabatea, aber etwas in ihm weigerte sich, seinen Augen zu trauen. Es war, wie sie gesagt hatte: Eigentlich war es nicht möglich.
    Und doch -
    Unsanft landeten sie im Sand. Das Muster knisterte protestierend, als Tarik die Hand herausriss, auf die Füße sprang und loslief.
    Junis sah ihn kommen, die Augen leer vor Leid, schüttelte nur den Kopf und blickte wieder zu Boden.
     

     
    Tarik fiel neben seinem Bruder auf die Knie und umarmte ihn. Er hörte sich reden, all die Dinge, die so selbstverständlich waren und menschlich und völlig bedeutungslos. Selbst als er Junis ins Gesicht sah, in diese Maske aus Staub und Schmutz und Schmerz, und ihn dabei an den Schultern festhielt, da redete er noch irgendetwas, an das er sich gleich darauf nicht mehr erinnern konnte.
    Sabatea trat neben sie, blieb stehen. Da war etwas in ihrer Stimme, als sie Junis begrüßte. Etwas, das nicht zum Glück dieses Augenblicks passte und das Tarik hätte alarmieren müssen, wäre er nicht überwältigt gewesen von Erstaunen und Erleichterung.
    Es dauerte einen Moment, ehe ihm klar wurde, dass ihr Zögern nicht seinem Bruder galt, sondern der Frau, die neben ihm am Boden lag und deren Gesicht – das bemerkte er erst jetzt, warum zum Teufel erst jetzt? – mit einem Tuch bedeckt war.
    Hoch über ihnen rief jemand etwas, Almarik vermutlich, aber Tarik sah nicht hin. Er blickte von der leblosen Gestalt zurück zu Junis. Einer seiner goldenen Ohrringe war ausgerissen, die Wunde entzündet. Seine Kleidung war mit getrocknetem Blut besudelt, ebenso wie die der Frau.
    »Woher kommt ihr?«, fragte Tarik. »Ist sie eine Sturmkönigin?«
    Es war, als geriete der Fluss der Zeit in Unordnung; plötzlich wunderte er sich, warum er die Wahrheit nicht eher erkannt hatte. Aber das Gefühl flimmerte einfach an ihm vorüber, verschwand wieder und kehrte einen Augenblick später zurück.
    Schlagartig wusste er, wer sie war.
    »Tarik«, sagte Sabatea sanft und ging neben ihm in die Hocke. Auch sie schien etwas zu ahnen. Intuition, vielleicht. Oder genug Erfahrung mit Schicksalsschlägen.
    Er streckte eine Hand aus, noch immer ungläubig, im Zweifel auch an sich selbst, und strich mit den Fingerspitzen von der Stirn an abwärts über die schmalen Züge unter dem dünnen Stoff. Dabei zog er das Tuch langsam herunter.
    Staub hatte das kurze dunkle Haar gebleicht. Ihre Augen waren geschlossen, aber in den Winkeln glitzerte Sand, als wäre da noch immer Leben unter ihren Lidern. Sie hatte verkrustete Schürfwunden auf den Wangen, und ihre Lippen waren mehrfach aufgesprungen. Eine längst verheilte Narbe reichte vom linken Jochbein hinab zu ihrem Hals.
    Die hellen Bahnen im Schmutz auf Junis’ Wangen verrieten, dass er geweint hatte. Jetzt aber war sein Gesicht erstarrt, als wollte es nie wieder eine andere Regung als Kummer zeigen.
    Tarik verschränkte die Hände am Hinterkopf und senkte das Haupt. Sabatea blieb ganz nahe bei ihm, aber sie berührte ihn nicht. Sah nur auf das leblose Gesicht hinab. »Sie hat gesagt, die Sonne scheint so hell«, flüsterte Junis. »Sie hat gesagt, da, wo sie hingeht, ist sie endlich frei.«
    Tarik hielt das Tuch noch in der Hand, zerknüllte es in seiner Faust. Atmete ein und atmete aus. Dachte, dass dies das Einzige war, das er noch tun wollte. Nur dasitzen und atmen. Selbst das war schwer genug.
    Das Elfenbeinpferd stieg vor ihnen vom Himmel herab. Legte die Schwingen an und berührte die starren Züge mit der Schnauze. Aus seinen weisen dunklen Augen blickte es auf Tarik, dann auf Sabatea und Junis.
    Sie kauerten alle drei schweigend im Staub.
    Maryam hatte recht gehabt. Die Sonne schien so hell.
    ENDE
des zweiten Bandes
 
Band drei, GLUTSAND,
erscheint im September 2009

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