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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Autoren: Kai Meyer
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der funkelnden Perle Bagdad entgegen, auf ihrem flirrenden Bett aus Wüstensand.

 
Der Byzantiner
 
 
    »Töte dich«, zischte eine Stimme ganz nah an Tariks Ohr, nicht männlich, nicht weiblich. Nicht einmal menschlich. »Töte dich selbst. Das ist guter Rat, der beste.«
    Tarik tastete nach seinem linken Auge. Darüber spannte sich nicht mehr die schmutzige Binde, mit der er nach Bagdad gekommen war, sondern eine feste Augenklappe aus Leder, am Hinterkopf mit einem Band verschnürt.
    »Töte dich, so töte dich doch«, zischelte es abermals.
    Die Stimme des Narbennarren, durchfuhr es ihn. Amaryllis in meinem Verstand.
    »Das ist guter Rat, der beste.«
    Nein, nicht Amaryllis. Kein körperloses Wispern, das nur in seinem Schädel existierte, sondern Worte aus dem Maul einer Silberschlange. Gesprochen mit gespaltener Zunge. Tückisches Gerede wie Gift.
    Er öffnete das rechte, unversehrte Auge. Er lag auf einem Lager aus Strohsäcken, die stoppelige Wange auf groben Stoff gepresst.
    Die Silberschlange kauerte vor ihm, keine Handbreit entfernt. Sie hatte den armlangen Körper eingerollt und nur das Vorderende aufgerichtet. Mit geschlitzten Pupillen starrte sie ihn an, der Blick so kristallen wie Eis. Ihre Stimme war nicht die eines Menschen, und doch formte sie die Worte ganz klar und verständlich.
    »Es wäre gut, wenn du tot wärst. Glaub mir. Mein Rat ist gut, der allerbeste. Nur Schmerz erwartet dich, wenn du weiterlebst. Nur Leid und Entbehrung.«
    Tariks Hand schoss vor und bekam das Biest zu fassen. Fest schloss sich seine Faust um den dünnen Reptilienleib. Ein zorniges Fauchen drang aus dem Maul, als die Schlange den Schädel verdrehte, um die Hauer in seinen Handrücken zu schlagen. Gift troff auf seine Haut, aber die Zähne vermochten sie nicht zu ritzen. Selbst dann wäre ihr Biss nicht tödlich gewesen, nur ungemein schmerzhaft.
    »Wo bin ich?« Es war, als träte er aus seinem Körper und sähe sich selbst auf den Säcken liegen, im Zwiegespräch mit einer Schlange. Das silberne Reptil zappelte hilflos in seinem Griff.
    »In Bagdad. Wir sind in Bagdad. Ich kann dir Rat geben, guten Rat. Ich kann -«
    »Behalt deine Lügen für dich!« Silberschlangen kannte er aus Samarkand, wo sie sich am liebsten in den Vergnügungs- und Elendsvierteln herumtrieben. Instinktiv spürten sie die Verzweifelten und Unschlüssigen auf, die Wagemutigen, Enthemmten und Leichtgläubigen. Sie gaben Rat, der stets ins Verderben führte, und beteuerten dabei, nur das Beste im Sinn zu haben. Solange man sich dessen bewusst blieb, konnten sie einem kaum etwas anhaben.
    Die Schlangenschuppen rieben sich rau an seiner Hand, trocken wie Wüstensand, silbrig glitzernd wie ein kostbares Schmuckstück. Er stellte sich die Kreatur als Diadem um Sabateas Hals vor – Sabatea, die ihn ebenso belogen hatte wie das verdammte Reptil in seiner Faust.
    Kurz erwog er, der Schlange den Kopf abzureißen. Dann aber schleuderte er sie nur von sich und hörte sie irgendwo mit einem scharfen Zischen aufschlagen.
    Sein gesundes Auge gewöhnte sich an den Fackelschein, der die Kammer in gelbliches Licht tauchte. Lehmwände ohne Fenster. Loses Stroh auf dem Boden verstreut. Vor seinem Lager aus gestopften Säcken ein Tonkrug mit Wasser und ein Stück Fladenbrot. Erstaunt stellte er fest, dass sich keine Fliegen auf der Brotkruste tummelten. Die Luft war kühl, ganz ungewöhnlich kühl.
    Er befand sich unter der Erde. In einem Keller.
    Mühsam setzte er sich auf, hielt sich den schmerzenden Kopf und stützte die Ellbogen auf die Knie. Er trug noch immer die rußgeschwärzte, stinkende Kleidung, die er von den Dschinnen in den Hängenden Städten bekommen hatte. Zusammen mit Sabatea. Sie war jetzt im Palast des Kalifen, und er selbst in einem Kerker, so wie es aussah.
    Er war nicht sicher, wie er hergekommen war. Der mysteriöse Byzantiner, Almarik, hatte ihn in der Gosse aufgelesen, nachdem die Leibgarde des Kalifen Tarik aus dem Palast geworfen hatte. Immerhin hatten sie ihn nicht umgebracht. Sie hatten ihn für einen Besessenen gehalten, ein Umstand, dem er vermutlich sein Leben verdankte. Im Audienzsaal des Kalifen hatte man ihn gezwungen, die Binde von seinem linken Auge zu nehmen, von Amaryllis’ Auge. Gesehen hatte er damit nicht die Wirklichkeit, sondern -
    Ein Knirschen riss ihn aus seinen Gedanken. Die einzige Tür der Kammer wurde geöffnet. Kein Riegel an der Außenseite. Man hatte ihn also nicht eingeschlossen.
    Der Mann, der mit
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