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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Autoren: Kai Meyer
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eingezogenem Kopf durch den Eingang trat, war groß und breitschultrig genug, um ein Leibgardist des Kalifen zu sein. Doch Almarik stammte aus Byzanz, weit im Norden. Ein Fremder in dieser Stadt, genau wie Tarik.
    Sie würden trotzdem keine Freunde werden.
    »Zieh das an.« Der Byzantiner warf ihm ein buntes Knäuel entgegen. Pluderhosen, ein Wams, eine einfache Weste.
    »Die Augenklappe«, sagte Tarik, »ist die von dir?«
    Almarik nickte. Sein langes Haar war so schwarz wie die Schatten draußen vor der Tür und hing ihm ins Gesicht, weil er sich in dem niedrigen Kellerraum bücken musste.
    »Danke.« Tarik gab sich Mühe, das Wort nicht allzu herzlich klingen zu lassen.
    »Ich hab mir dein Auge angesehen.«
    »Dann weißt du mehr darüber als ich.«
    »Ein paar Adern sind geplatzt, es ist blutunterlaufen. Aber es sieht nicht schwer verletzt aus.«
    »Ich kann noch immer damit sehen«, erwiderte Tarik und dachte: Nur sehe ich nicht das, was um mich ist. Nicht die Zukunft, wie Amaryllis geglaubt hat, sondern eine zweite, eine andere Gegenwart. Was so viel Sinn ergab wie die Tatsache, dass er jetzt hier war und Almarik sich um ihn kümmerte. Erst gestern war der Byzantiner noch an der Seite der Falkengarde auf einem ihrer Teppiche geritten. Warum also meinte es ein Verbündeter des Kalifen gut mit ihm, nachdem Harun al-Raschid persönlich Tarik aus dem Palast verbannt hatte?
    »Mich interessiert nicht, was du siehst«, knurrte Almarik. »Nur, was du gesehen hast. Im Kopet-Dagh, in den Hängenden Städten.«
    Das also war es. Keine Nächstenliebe, kein Mitleid. Nur Neugier, zumal sehr kühl und voller Argwohn.
    Tarik zog sich aus und streifte ungewaschen die neuen Sachen über. Es war die erste saubere Kleidung seit seinem Aufbruch aus Samarkand. Eine Ewigkeit schien das her zu sein. Zuletzt schnürte er die Sandalen bis zu den Waden hinauf, blieb aber auf den Strohsäcken sitzen. Almarik sollte nicht sehen, wie sehr ihn die wenigen Bewegungen angestrengt hatten.
    »Was willst du hören?« Tarik unterzog den Byzantiner einer genaueren Musterung.
    Almarik trug Schwarz und Purpur, kostbar, aber mit Leder und Eisen verstärkt, die Kleidung eines Kriegers. Sein Gesicht war bartlos, mit breitem Kiefer und starker Nase. Die Augen zwischen den gewellten Haarsträhnen hüllten sich in Dunkelheit, als könnte der Fackelschein nicht in die Höhlen fallen. Almariks Mund war schmal, die Lippen spröde und vom Teppichritt draußen in der Wüste aufgesprungen. Genau wie Tariks eigene, was ihm erst jetzt bewusst wurde. Ein wenig war es, als würde er beim Blick ins Gesicht des Byzantiners sich selbst erkennen: verzerrte, verschobene Ähnlichkeit, kein Spiegelbild, eher ein Schatten, nur kräftiger, zäher, gesünder als er.
    An Almariks Gürtel hing ein bauchiges, verkorktes Gefäß, aus dem ein leises Pochen ertönte. Als trüge der Byzantiner sein Herz in einem Gefängnis aus Holz und Leder an der Hüfte.
    »Du hast behauptet, du hättest Amaryllis getötet«, sagte er, ohne Tariks Blick auf die Flasche zu beachten.
    »Getötet hat ihn der Absturz einer der Hängenden Städte. Oder er sich selbst, als er sich aus den Trümmern gegraben hat. Es war nicht mehr viel von ihm übrig, als ich ihn ins Feuer geworfen habe.«
    »Du hast ihn berührt. Damit bist du ihm näher gekommen als irgendein Mensch vor dir.«
    Berührt, ja. Seither trug er Amaryllis’ Fluch, Amaryllis’ Auge in sich. Aber er bezweifelte, dass er der erste Mensch war, den der Narbennarr so nah an sich herangelassen hatte. Vor sechs Jahren hatte Amaryllis Maryam entführt, das Mädchen, das Tarik geliebt hatte. Wie nah war sie ihm gekommen?
    Er erhob sich mit einem Ächzen. Im Gegensatz zu dem Byzantiner konnte er in der Kammer stehen. Almarik war fast einen Kopf größer als er.
    »Warum hast du mir geholfen?«
    Der Fremde lächelte. »Hab ich das denn?«
    Tarik nahm eine Bewegung zu seinen Füßen wahr. Blitzschnell zog die Silberschlange eine Acht um seine Sohlen und glitt zwischen die Strohsäcke, ehe er sie zertreten konnte.
    »Wo genau sind wir hier?«
    »Im Keller meines Hauses.«
    »Ich hatte erwartet, dass du Gast im Palast bist. Du warst mit der Falkengarde auf Patrouille.«
    Almarik deutete ein Nicken an. »Ich hielt es für klüger, einen Ort zu haben, an den ich mich… sagen wir, zurückziehen kann.« Der Byzantiner musterte ihn einen Augenblick lang, dann trat er beiseite und deutete mit einer Handbewegung zur offenen Tür. »Gehen
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