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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Autoren: Kai Meyer
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den Schwarm seiner Verfolger.
    Er wartete nicht ab, was weiter geschah. Stattdessen jagte er mit aller Macht einen Befehl ins Muster: abwärts, hinunter in die Stadt! Vielleicht konnte er jene, die nicht von der Attacke des Zauberpferdes abgelenkt waren, doch noch in den Gassen abhängen.
    Während der Teppich steil auf die Dächer herabstieß, forderte Tarik ihn auf, sich zu entfalten. Zu seinem eigenen Erstaunen wurde der Befehl innerhalb eines Atemzugs ausgeführt. Ehe er sich’s versah, saß er wieder am Vorderende der langen Teppichbahn. Der staubtrockene Gegenwind kühlte seine verschwitzten Züge.
    Er gönnte sich nur einen kurzen Blick nach oben, wo das Elfenbeinpferd durch den Schwarm der verblüfften Teppichreiter tobte. Einige verloren ihre Tiergestalt. Zwei weitere stießen zusammen und stürzten ab, ehe sie sich kurz über dem Boden wieder fangen konnten.
    Tarik verstand nicht, warum das Pferd ihm half. Es schien fast, als hätte es auf ihn gewartet. In Samarkand hatte es zahllose Elfenbeinrösser gegeben, die auf den Dächern lebten, aber sie mieden die Menschen und flohen vor ihnen. Vielleicht war dieses hier nur durch Zufall in seine Flugbahn geraten.
    Im Sturzflug tauchte er ins Labyrinth der Stadt und verbarg sich in den Schatten.

 
Die geheime Tochter
 
 
    »Wo ist Tarik?«
    Khalis, der Hofmagier des Kalifen von Bagdad, gab keine Antwort. Schweigend stand er in der Tür des Gemachs und musterte Sabatea.
    Wo der alte Mann auftauchte, war nur noch Platz für ihn. Seine Ausstrahlung legte sich über den Rest des Raumes wie ein Schleier, der allem anderen Farbe und Klänge entzog. Wie ein Wolkenschatten, der sich über eine Landschaft schiebt, so schien auch der Magier die Umgebung in Düsternis zu tauchen, während er selbst in einer Säule aus Licht dastand, hager, groß, die schmalen Lippen fest aufeinandergepresst.
    Er trug eine nachtblaue Robe wie bei ihrer ersten Begegnung im Audienzsaal des Kalifen, denselben mit Diamanten besetzten dunklen Turban und einen Schal, der gleichfalls mit Edelsteinen bestickt war.
    Nachdem er sie eine Weile lang stumm gemustert hatte, wandte er sich ohne ein Wort um und schloss die Tür hinter sich. Sabatea blieb allein zurück, zornig, verunsichert, drauf und dran, ihm zu folgen, um ihn zur Rede zu stellen.
    Da aber erklangen abermals Schritte draußen auf dem Gang, sanfter, kaum hörbar, und sie erinnerte sich widerstrebend an das, was man von ihr erwartete.
    Als Harun al-Raschid den Raum betrat – ganz allein, ohne Leibwache –, kniete sie am Boden, den Oberkörper vorgebeugt, das Gesicht kaum einen Fingerbreit über dem kühlen Marmor. Schweigend wartete sie darauf, dass der Kalif ihr gestattete, sich zu erheben. Demut war ihr zuwider, war es immer gewesen; aber jetzt stand ihr Leben auf dem Spiel, und, schlimmer noch, nicht allein ihr eigenes.
    Früher hätte sie eine Situation wie diese als Herausforderung begriffen. Doch ihr Geschick mit Worten, ihr Talent, andere zu manipulieren, würden sie hier nicht weit bringen. Selbst die Atemluft in diesem Palast schmeckte nach Intrigen. Lügen gehörten zum Inventar wie Marmor und Wandbehänge.
    Als der Kalif sie nicht ansprach, fasste sie sich ein Herz und stellte ihre Frage ein zweites Mal.
    »Bitte sagt mir, mein Gebieter, wo ist Tarik?«
    Er kam jetzt näher. Sie hörte die Sohlen seiner spitzen Samtschuhe auf dem Steinboden, aber sehen konnte sie ihn noch immer nicht. Ihr langes schwarzes Haar und der Seidenschleier waren über ihr Haupt am Boden gebreitet. Bisher hatte sie nicht gewusst, dass Marmor einen Geruch hatte, den Geruch von staubigem Gestein; die Erkenntnis berührte etwas in ihr, die Erinnerung an eine schwarze Grotte, auf deren Grund prasselnde Scheiterhaufen brannten. Einen Moment lang bekam sie kaum Luft.
    Der Kalif ging langsam an ihr vorüber, umrundete sie. Sabatea fühlte sich nackt und ausgeliefert, obgleich sie lange, fließende Gewänder trug; nur ihre Hände und Unterarme schauten darunter hervor. Bedienstete hatten die bloße Haut mit verschlungenen Ornamenten aus Henna bemalt, und sie hatte das ungute Gefühl, dass dies auf Veranlassung des unheimlichen Magiers geschehen war, dem engsten Berater des Kalifen.
    »Der Schmuggler hat versucht, in den Palast einzudringen«, sagte Harun al-Raschid. »Er hat Mut, das muss man ihm lassen.«
    »Er hat mich sicher durch das Dschinnland an Euren Hof gebracht.«
    »Und vorhin hat er offenbar versucht, dich mir wieder wegzunehmen.« Haruns
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