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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Autoren: Kai Meyer
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Stimme klang heiser und brüchig. Sie musste ihn nicht einmal ansehen, um zu erkennen, wie krank er war. »Ist das nun Tollkühnheit, Dummheit oder Wahnsinn?«
    Das war keine Frage, auf die er eine Antwort hören wollte, aber sie sagte dennoch: »Von allem ein wenig, fürchte ich.«
    Der Kalif seufzte, und sie hörte, wie er sich auf den Kissen unter dem Fenster niederließ. Die farbenprächtigen Vögel in der Voliere neben der Tür zwitscherten und hüpften von Stange zu Stange. Draußen auf dem Gang schepperte Eisen, als die Wachsoldaten vor der Tür Haltung annahmen; wahrscheinlich war einer der zahllosen Edelmänner des Palastes an ihnen vorbeigegangen.
    Einen Augenblick lang überlegte sie, ob Khalis noch immer vor dem Zimmer stand und lauschte. Nein, der Hofmagier kannte zweifellos subtilere Wege, um zu erfahren, was hier vor sich ging.
    »Warum stehst du nicht auf?«, fragte Harun.
    »Ihr habt es mir nicht gestattet, mein Gebieter.«
    »Du hast versucht, mich zu vergiften, Sabatea… Warum, bei Allah, solltest du es nötig haben, auf meine Erlaubnis für irgendetwas zu warten?«
    In einem Anflug von Trotz hob sie den Kopf vom Boden, streifte ihr Haar zurück und zog den Schleier über Nase und Mund zurecht. Das dünne Kettchen, an dem die Seide befestigt war, spannte sich unter ihren Augen; es war noch immer kühl, obwohl sie es schon seit Stunden trug.
    »Ich habe dir vergeben«, sagte der Kalif, als sie aufstand und sich zu ihm umdrehte. »Das habe ich dir bereits gestern gesagt.«
    Sie glaubte ihm kein Wort, auch wenn seine Güte oder - eher noch – Gleichgültigkeit ihrem Mordanschlag gegenüber nicht einmal gespielt wirkte. Er war Harun al-Raschid, und seine Untertanen liebten ihn. Selbst heute noch, da die Dschinne den größten Teil des Kalifats entvölkert hatten.
    »Wir werden später über die Gründe sprechen, die dich nach Bagdad geführt haben«, sagte er, und sie dachte bitter: Natürlich werden wir das. Spätestens, wenn mein Hals unter dem Henkersschwert liegt. »Zuerst aber«, bat er sanft, »erzähl mir mehr von diesem Schmuggler. Von Tarik al-Jamal.«
    Sie hob langsam den Blick und riskierte es, den Beherrscher der Gläubigen, das Licht des persischen Reiches, offen anzusehen. Allein dafür hätte er sie hinrichten lassen können. Er aber nickte nur sachte und deutete auf einige Kissen, weit genug von ihm entfernt, dass sie die Aufforderung nicht missverstehen konnte.
    »Bitte«, sagte er, »setz dich.«
    Seine ausgestreckte Hand war so hager und ausgezehrt wie seine Züge. Er trug einen Turban mit Pfauenfedern, blendend weiß wie seine übrigen Gewänder, und musterte sie mit großen dunklen Augen. Sein Blick brodelte vor Intensität.
    Sabatea ließ sich auf den Kissen nieder, noch ganz ungelenk und steif von der unbequemen Position am Boden. Rasch zupfte sie den Saum ihres Kleides über die Hennamuster auf ihren Fußrücken.
    »Ich weiß, dass du nicht aus freien Stücken hergekommen bist. Dein Geheimnis ist schon lange keines mehr, Sabatea.« Er hob die Hand und brachte sie zum Schweigen, als sie nachhaken wollte. »Erst der Schmuggler.«
    Sie atmete tief durch und roch feines Räucherwerk, das durch winzige Öffnungen in den Wänden hereinwehte. Verschlungene Arabesken bedeckten die Mauern des Zimmers. Die sanft gewölbte Kuppeldecke war mit aufgemalten Sternbildern auf blauem Grund überzogen.
    »Ich habe Tarik belogen, als ich ihn bat, mich nach Bagdad zu bringen«, sagte sie. »Er hat nicht gewusst, was ich vorhatte.«
    »Er hat behauptet, er habe den Dschinnfürsten Amaryllis getötet.«
    »Das ist die Wahrheit. Wir sind ihm in den Hängenden Städten der Roch begegnet, tief unter den Gipfeln des Kopet-Dagh. Wir waren Gefangene der Dschinne.«
    »Die Dschinne nehmen seit einiger Zeit Gefangene. Weißt du, was sie ihnen antun?«
    »Sie machen sie zu willenlosen Sklaven.«
    »So, wie du das sagst, klingt es nicht besonders schlimm.«
    »Verzeiht, ich -«
    »Nein, entschuldige dich nicht. Ich sitze seit Jahr und Tag in diesem Palast und höre mir an, was andere mir über die Dschinne und ihre Grausamkeiten berichten. Du aber hast all das mit eigenen Augen gesehen. Wer bin ich, dir vorschreiben zu wollen, wie du über sie sprichst?«
    »Ihr seid der Kalif. Ihr seid der Mittelpunkt der Welt, das Herz des Glaubens und -«
    Harun al-Raschid warf den Kopf zurück und lachte. Seine bleichen, ausgezehrten Züge schienen sich zu einem ganz und gar herzlichen Gelächter zu öffnen, wie das
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