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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern
Autoren: Scott Lynch
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die das Karussell antrieb, kostete ein mittleres Vermögen. Am Ende jeder Runde teilte das Karussell an die beiden Verlierer nach dem Zufallsprinzip zwei Fläschchen aus seinem großen Vorrat an Phiolen aus. Sie enthielten ein alkoholisches Getränk, vermischt mit süßen Ölen und Fruchtsäften, damit man nicht herausschmeckte, wie hochprozentig der jeweilige Tropfen war. Die Karten waren lediglich ein Aspekt des Spiels. Die Spieler mussten sich außerdem bemühen, trotz der zunehmenden Wirkung dieser teuflischen kleinen Fläschchen die Konzentration zu bewahren. Das Spiel endete erst dann, wenn ein Spieler zu betrunken war, um noch weiterzumachen.
    Theoretisch konnte man bei diesem Spiel nicht mogeln. Der Sündenturm hielt den Mechanismus in Schuss und füllte die Fläschchen ab; die winzigen silbernen Kappen saßen fest auf Wachsstöpseln, welche die Behältnisse versiegelten. Kein Spieler durfte das Karussell oder die Phiole eines Mitspielers berühren; bei Zuwiderhandlung wurde er auf der Stelle bestraft. Selbst das Konfekt und die Zigarren, die von den Teilnehmern konsumiert wurden, mussten vom Haus gestellt werden. Locke und Jean hätten Madam Corvaleur den Genuss ihrer mitgebrachten Kirschen in Schokoladenpulver verbieten können, doch aus mehreren Gründen wäre dies keine gute Idee gewesen.
    »Nun ja«, meinte Jean, als er den Verschluss seines Fläschchens knackte, »ich finde, wir sollten auf alle sympathischen Verlierer trinken.«
    »Ich wünschte nur, wir würden endlich mal auf welche treffen«, ergänzte Locke, und gleichzeitig kippten sie ihre Getränke hinunter. Lockes hinterließ eine warme, nach Pflaumen schmeckende Spur im Hals – er hatte einen hochprozentigen Tropfen erwischt. Seufzend legte er die leere Phiole auf den Tisch zurück. Mittlerweile hatten er und Jean jeweils vier Fläschchen genossen, die beiden Frauen jeweils nur eine. Und daran, wie seine Konzentrationsfähigkeit nachließ, merkte er, dass der Alkohol zu wirken begann.
    Während der Croupier die Karten für die nächste Runde mischte, sog Madam Durenna abermals ausgiebig und tief an ihrer Zigarre und schnippte die Asche in einen Becher aus massivem Gold, der auf einem Sockel hinter ihrer rechten Hand stand. Träge blies sie zwei Rauchströme durch die Nase und starrte durch den grauen Vorhang auf das Karussell. Locke fand, Durenna gleiche einem Raubtier, das in einem Versteck ausharrend seiner Beute auflauert und sich gut getarnt am wohlsten fühlt. Er hatte Informationen über sie gesammelt und erfahren, dass sie erst seit kurzem das Leben eines Warenspekulanten führte, der seine Geschäfte in der Stadt tätigt. Ihr vorheriger Beruf war etwas abenteuerlicher gewesen. Sie hatte Freibeuterschiffe befehligt und auf hoher See die Sklavenschiffe von Jerem gejagt und versenkt. Ihre Narben stammten nicht von der Teilnahme an irgendwelchen Teepartys.
    Es konnte reichlich unangenehm werden, wenn eine Frau wie sie merken sollte, dass Locke und Jean sich auf das, was Locke »leicht unorthodoxe Methoden« nannte, verließen, um das Spiel zu gewinnen; mehr noch, es wäre besser, auf altmodische Weise zu verlieren oder sich sogar von den Angestellten des Sündenturms erwischen zu lassen. Zumindest würden die für einen schnellen Tod sorgen. Immerhin mussten sie ein Haus leiten, in dem Hochbetrieb herrschte.
    »Noch nicht austeilen«, wandte sich Madam Corvaleur an den Croupier, Lockes Betrachtungen störend. »Mara, die Herren hatten tatsächlich eine Pechsträhne. Sollten wir ihnen nicht eine Verschnaufpause gewähren?«
    Vor Aufregung wurde Locke ganz zappelig, aber er ließ sich nichts anmerken. Das Paar beim Schwips-Vabanque, das in Führung lag, konnte den Gegnern eine kurze Unterbrechung des Spiels anbieten; doch von dieser höflichen Geste wurde nur äußerst selten Gebrauch gemacht, aus dem einfachen Grund, dass man damit den Verlierern die Gelegenheit verschaffte, die Wirkung des Alkohols abzuschütteln. Versuchte Corvaleur vielleicht, ein eigenes Problem zu vertuschen?
    »Die Herren haben sich unseretwegen in der Tat gewaltig anstrengen müssen. So viele Spielmarken abzuzählen und sie dann an den Gegner abzutreten kostet eine Menge Kraft.« Durenna inhalierte Qualm und pustete ihn aus. »Sie würden uns eine Ehre erweisen, meine Herren, wenn Sie eine kurze Pause nähmen, um sich frisch zu machen und zu erholen.«
    Aha! Locke lächelte und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. So lief das also – vor den Leuten Eindruck
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