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Sturm auf den Hexenstern

Sturm auf den Hexenstern

Titel: Sturm auf den Hexenstern
Autoren: Horst Hoffmann
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Dunkelheit.
    Nataika hatte die Mannschaft um sich gesammelt und blickte vom Heckaufbau lange auf ihre Amazonen herab. Moule stand neben ihr mit ausdruckslosem Gesicht. Exell, die sie beobachtete, hatte den Eindruck, daß sie mit den Hexen in den Booten in stummer Verbindung stand.
    »Kriegerinnen!« rief Nataika mit lauter Stimme. »Bisher habe ich geschwiegen, weil ich nicht wußte, was uns hier erwarten würde. Nun aber hat es den Anschein, als könnten wir schon bald zur Flotte aufschließen. Die Sturmbrecher ist schneller als die meisten anderen Schiffe, von deren Fahrt es abhängt, wie schnell die ganze Flotte vorankommt. In spätestens zwei Tagen werden wir sie eingeholt haben.«
    Sie machte eine Pause, sah die Fragen in den Augen der Amazonen.
    »Die Fracht, die wir an Bord zu nehmen haben«, fuhr Nataika fort, »muß von den zwölf Hexen geborgen werden. In diesen Augenblicken sind sie dabei, sie vom Grund dieses Sees heraufzuholen. Worum es sich dabei handelt, das wissen weder Moule noch ich. Aber wir werden sie von hier aus zum Hexenstern bringen, und zwar direkt zu Zaems Frostpalast!«
    Ein Raunen ging durch die Reihen der Kriegerinnen. Exell hörte den Widerhall von Nataikas letzten Worten in ihrem Geist:
    Zu Zaems Frostpalast!
    Für die Dauer weniger Herzschläge war das, was dieser unselige Ort an Schrecklichem bereithalten mochte, vergessen. Daß das, was die Sturmbrecher hier abholen und zum Hexenstern bringen sollte, für die Zaubermutter von unerhörter Wichtigkeit sein mußte, war ihr klar gewesen. Doch wie unerhört bedeutungsvoll mußte es sein, wenn die Zaem es in ihrem geheimnisvollen, sagenumwobenen Frostpalast haben wollte, von dem selbst alte Kriegerinnen nur zu flüstern wagten.
    Sie, Exell, würde den Frostpalast sehen, vielleicht betreten, vielleicht sogar… die Zaem selbst schauen dürfen. Keine Himmelsvision - die mächtige Zaubermutter leibhaftig!
    Exell war von dieser Aussicht so sehr in den Bann geschlagen, daß sie den Kopf erst wandte, als der vielstimmige Schrei der Gefährtinnen in ihren Ohren hallte.
    Ein mächtiges Rauschen hob an, und Blitze zuckten aus dem nun noch finstereren Himmel auf die Mitte des Sees herab. Es war wie ein plötzlich hereingebrochenes Sturmgewitter, das alles hinwegfegte, das sich nicht rechtzeitig vor den entfesselten Gewalten in Sicherheit zu bringen vermochte. Doch kein Lufthauch war zu spüren. Keine Regengüsse und keine Hagelschauer kamen herab. Die Kriegerinnen liefen nach Backbord, und ihre Schreie, soweit sie in diesem Brausen und Toben verständlich waren, verkündeten, daß sich jetzt dort, mitten im Kreis der Hexen, etwas tat.
    Exell zögerte. Wieder warf sie Moule einen scheuen Blick zu und erschrak heftig, als sie deren verzerrte Züge sah. Pechfackeln brannten auf dem Heckaufbau und warfen gespenstische Schatten auf das alte, harte Gesicht der Hexe, deren Augen unnatürlich weit aufgerissen waren, während ihre runzligen Lippen Beschwörungsformeln hervorbrachten.
    Exell rannte zu den Gefährtinnen und beugte sich weit über die Reling. Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern erstarren.
    Mitten im Kreis der Hexen hatte das Wasser begonnen, sich aufzutürmen. Dort schäumte und brodelte es. Die Lichterspeere der Blitze fuhren, von ohrenbetäubendem Krachen begleitet, in die weiß in die Höhe schießende Gischt, die bis in die zwölf Boote spritzte, in denen die Hexen aufrecht standen wie in Stein gemeißelte Statuen.
    Und es war, als würden die Himmelslichter von dort unten, weit unter der Wasseroberfläche, in einem unwirklichen, blutroten Leuchten zurückgeworfen. Das unheimliche Leuchten breitete sich aus, färbte die Gischt rot und schien selbst die Luft zu erfüllen.
    Dann schob sich etwas mit ungestümer Gewalt nach oben.
    Ein mächtiger Wasserberg türmte sich auf, wuchs in die Höhe, schäumend und drohend. Exell hielt den Atem an. Einige Kriegerinnen schrien etwas, das sie nicht verstehen konnte. Aber ihrer aller Blicke hafteten auf dem Etwas, von dem nun das Wasser an allen Seiten abzufließen begann.
    Es war ein gigantischer Gesteinsbrocken, wie Exell noch keinen gesehen hatte. Seine Oberfläche war seltsam zerfurcht und strahlte hell in jenem Blutrot, das eben noch aus der Tiefe heraufgeleuchtet hatte. Noch immer hob er sich aus dem See und schien kein Ende nehmen zu wollen, bis er endlich zur Gänze heraus war und, von den magischen Kräften der Hexen gehalten, zwanzig, dreißig Fuß hoch über der aufgewühlten
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