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Sturm auf den Hexenstern

Sturm auf den Hexenstern

Titel: Sturm auf den Hexenstern
Autoren: Horst Hoffmann
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Oberfläche schwebte.
    Exell wurde plötzlich bewußt, daß auch sie schrie. Sie stand an der Reling und preßte sich beide Hände gegen die Schläfen. Doch auch das half ihr nicht gegen den stechenden Schmerz in ihrem Schädel, gegen das Gefühl, plötzlich schwerelos geworden zu sein, in einen Strudel zu geraten, der sie in endlose Abgründe zu reißen drohte. Um sie herum wälzten sich Amazonen am Boden oder gebärdeten sich wie Besessene. Exell glaubte, Nataikas Stimme von irgendwoher zu hören. Sie wollte herumfahren, doch der strahlende Stein gab ihren Blick nicht frei. Heller noch als die Sonne leuchtete er nun, und Exell wußte: Er war verantwortlich für den rasenden Schmerz und den Wahnsinn, der nach ihr und den anderen griff. In seinem Innern mußten Feuer brennen, heißer als die Glut der Vulkane, doch keine Wärme gab er von sich. Im Gegenteil wurde die Kälte noch klirrender.
    Wie Blut war das Wasser unter dem Stein, blutrot gefärbt die Umhänge der zwölf Hexen, die nicht länger aufrecht in ihren Booten standen. Auch sie wanden und krümmten sich.
    Kein Stein von dieser Welt! dachte die Jungamazone, als sie auf den Knien über die Bohlen rutschte.
    Sie mußte hinsehen, obgleich ihre Augen von der Helligkeit tränten und brannten. Der Brocken schwebte noch über dem Wasser, doch unstet nun. Die zwölf Hexen besaßen nicht mehr die Kraft, ihn zu halten. Er zog die Blitze an, schien sich plötzlich aufzublähen, immer weiter zu wachsen und…
    »Habt acht!« schrie da eine Stimme. Exell vernahm sie durch das Tosen und den Donner, durch das Schreien der Gefährtinnen. Moule! dachte sie mit dem letzten Rest klaren Verstandes, der ihr noch blieb. Moule! Rette uns!
    »Habt acht!« gellte der Schrei der Hexe noch einmal. »Die zwölf haben keine Macht mehr über den Himmelsstein! Er wird…!«
    Alles andere ging in einem fürchterlichen Krachen unter, das die Trommelfelle zu zerreißen drohte. Vor Exells tränenden Augen zerbarst der leuchtende Brocken. Sie nahm es kaum noch wahr. Alles erschien ihr so unwirklich.
    Ein stechender Schmerz in der linken Schulter riß die Jungamazone fast im gleichen Augenblick wieder in die Wirklichkeit zurück. Ihre Hand fuhr zu dieser Stelle, und warm sickerte Blut zwischen ihren zitternden Fingern hindurch.

3.
    »Ich bringe sie um!« knurrte Scida. »Bei meiner Ehre, ich werde sie Lacthy dorthin folgen lassen, wo die Verdammten für all das büßen müssen, was sie auf dieser Welt taten!«
    Die Amazone kauerte auf einer Holzkiste in einem der Lagerräumen der Südwind. Die soeben haßerfüllt hervorgestoßenen Worte waren, so ziemlich die ersten, die sie von sich gegeben hatte, seitdem sie dazu übergegangen war, sich in innerer Versenkung auf das von ihr herbeigesehnte Duell mit der Erzfeindin vorzubereiten.
    Neben ihr hockte Gerrek auf einer anderen der Kisten, die Proviant und Waffen bargen. Ihr gegenüber saßen Mythor und Kalisse. Doch ihr Blick ging an ihnen vorbei.
    Mythor schüttelte unwillig den Kopf.
    »Du lebst in einer anderen Welt, Scida«, sagte der Gorganer vorwurfsvoll. »Wach endlich auf! Hör auf, nur noch an Lacthy zu denken. Sie befehligt die Flotten der Horsik- und der Narein-Sippschaften. Und zumindest bis wir den Hexenstern erreicht haben, solltest du deine Rache vergessen. Du hast keine Aussicht, an sie heranzukommen!«
    Scida gab keine Antwort. Sie stierte vor sich hin und stampfte voller Grimm mit den Stiefeln den Boden.
    »Davon wird’s auch nicht besser«, kam es von Gerrek. Der Mandaler breitete in Verzweiflung die Arme weit aus. »So ist das mit den Weibern, Mythor. Sie rühmen sich ihrer Taten und Tugenden, aber sobald die Gefühle sie packen, ist es aus mit dem klaren Verstand.«
    »Aha«, konterte Kalisse. »Und den hast du dir bewahrt, ja?«
    »Keine Frau kann ihn mir nehmen«, versicherte der Beuteldrache todernst. »Auch nicht Taukel.« Er knurrte etwas in seine wenigen Barthaare. »Aber wenn sie mir einmal allein über den Weg laufen sollte, dann schwöre ich euch: Ich puste sie um!«
    »Sein klarer Verstand«, seufzte Kalisse. Sie stieß Mythor mit dem Ellbogen an. »Und du? Was sagst du dazu?«
    Mythor stand auf, ging einige Schritte und winkte ab.
    Er lauschte auf die Fahrtgeräusche der Südwind. Oben auf Deck waren die Schritte der Amazonen zu hören. Dann und wann schrie Josnett, die wettergegerbte Schiffsfrau, ihre Befehle.
    Wie lange war es nun her, daß die Südwind aus der Schattenbucht ausgelaufen war? Drei Stunden?
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