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Sturm auf den Hexenstern

Sturm auf den Hexenstern

Titel: Sturm auf den Hexenstern
Autoren: Horst Hoffmann
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»Ja, vielleicht war es das.« Er hob die Schultern und atmete tief ein. »Es war seltsam, aber als ich ganz sicher war, die Stelle gefunden zu haben, an der Dhogur verwundbar ist, und mit letzter Kraft zustoßen wollte, da schwand Altons Leuchten.«
    »Augenblick!« Kalisse hob abwehrend die Hand. »Diese verwundbare Stelle kannte nur Ranky.«
    »Das mag sein. Ich verstehe jetzt im nachhinein so vieles nicht, und ihr habt recht, ich will nicht darüber reden. Nur soviel sollt ihr wissen: Dhogur ist dorthin zurückgekehrt, wo sein Reich ist. Und es war einst das Reich seiner Vorfahren, der mächtigen Drachen, die diese Meere beherrschten. Einst, in einer Zeit, an die alle Erinnerungen verloren ist.«
    »Aha«, machte Gerrek. »Und das hat er dir gesagt?«
    Kalisse verdrehte seufzend die Augen.
    »Oh, dieser Mandaler! Blitz und Donner, eines Tages ersäufe ich ihn!«
    »Und du redest schon wie diese Inselweiber!«
    Mythor erhob sich. Sein Gesicht war ernst.
    »Dhogur lebt, und er wird vielleicht der letzte seines Geschlechts bleiben. Daß Ranky seine Jungen töten mußte, um ihren Stamm zu retten, ist tragisch, aber ihr ist kein Vorwurf zu machen. Ja, Gerrek, Dhogur redete zu mir, oder vielleicht war es Alton. Es war nicht so wie irgendein Gespräch zwischen Menschen. Es war ein Verstehen in dem Augenblick, in dem ich zum Todesstoß ansetzte, Bilder und Eindrücke in meinem Kopf, das Gefühl einer grenzenlosen Einsamkeit und einstiger Größe. Und ich glaube, daß auf dem gleichen geheimnisvollen Weg auch Dhogur etwas von dem verstehen lernte, das uns bewegt, uns Menschen, die wir vielleicht die Nachfolger seines Geschlechts sind.« Er machte durch eine Geste deutlich, daß er nicht willens war, noch länger über das zu sprechen, was ihm unter Wasser widerfahren war. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Aber ich denke, es wird besser sein, Ranky ihren Glauben an den Drachentöter nicht zu nehmen.«
    »Ja«, grunzte Gerrek. »Damit sie dich weiter verehrt und…«
    Er seufzte, als er merkte, daß er ins Leere sprach. Kalisse war plötzlich sehr schweigsam geworden, und Scidas Blick ging durch ihn hindurch.
    Er war nach Süden gerichtet, dorthin, wo sie die Seejungfrau wußte. Und auf ihr Lacthy.
    »Was ist das für eine Welt!« schimpfte der Mandaler. »Mythor hört in seinem Kopf einen Drachen reden, von dem wir Menschen angeblich abstammen sollen. Oh, nein, Gerrek, wird Kalisse sagen, würde sie sagen, wenn sie nicht ihre Zunge verschluckt hätte. Du nicht, Gerrek, würde sie sagen, du bist kein Mensch, sondern auch ein Drache. Aber ich bin doch ein Mensch, ein verzauberter Mann. Scida sitzt einfach da und denkt schon wieder an nichts anderes als an Lacthy. Die Inselweiber prügeln sich an Bord, und Ranky spielt sich auf wie die neue Schiffsführerin. Taukel hat uns in eine Falle gelockt, aber das kann ihr kein Mensch beweisen! Ach!« Er schüttelte sich. Dann zog er die Brauen zusammen und legte den Kopf schief. »Kein Mensch. Nein, Gerrek, du bist nur ein Beuteldrache.« Der Mandaler stemmte die Fäuste in die Hüften und beugte sich zu Kalisse hinab. »Ein Beuteldrache, hast du gehört? Also bin ich in meiner jetzigen Form auch ein Nachfahre jener mächtigen Drachen, die einst diese Welt beherrschten und… Kalisse?«
    Er richtete sich wieder auf, als die Amazone nur abwinkte, und seufzte kopfschüttelnd.
    »Sie sagt nicht: Halt endlich dein Maul! Sie beschimpft mich nicht. Auch sie ist krank…«
*
    Die Sonne ging auf, wanderte einmal mehr über das Firmament und schickte ihre Strahlen, die die Menschen an Bord der Südwind kaum noch zu wärmen vermochten, auf das Meer hernieder. Je weiter das Schiff nach Süden vordrang, desto kälter wurde es, und manch einer beneidete Ranky und ihre Inselweiber um deren Felle. Kriegerinnen schlugen sich Decken über die Rüstungen oder wärmten sich dadurch, daß sie sich in selbstgewählten Beschäftigungen oder Kampfspielen Bewegung machten.
    Noch immer waren im Westen vereinzelte Inseln zu sehen, und daran änderte sich nichts, als am Abend endlich die ersten Luftschiffe am Himmel ausgemacht wurden. Ranky ließ das Schiff noch schneller werden, und bald tauchten voraus auch die ersten Seeschiffe der Flotte auf.
    Die Amazonen stimmten ihre Schlachtgesänge an. Mythor, Scida, Gerrek und Kalisse versammelten sich im Bugkastell der Südwind, wo auch Josnett, Skasy und Burras Amazonen standen. Als die neue Nacht hereinbrach, hatte die Südwind wieder ihren alten Platz im
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