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Streitbare Frauen

Streitbare Frauen

Titel: Streitbare Frauen
Autoren: Michaela Karl
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blieben. Traten Frauen öffentlich in Erscheinung, dann höchstens als Gefährtinnen und Helferinnen männlicher Helden, als selbstständige Akteurinnen wurden sie nicht geduldet. Frauenengagement galt als etwas Unnatürliches, und dass viele der im Folgenden porträtierten Akteurinnen ein äußerst turbulentes Privatleben aufzuweisen hatten und dadurch zusätzlich gegen gesellschaftliche Schranken verstießen, war Wasser auf die Mühlen ihrer Gegner. Dabei ist es nur allzu gut vorstellbar, dass Frauen, die sich dem Diktum widersetzten, sich von der Politik fernzuhalten, sich auch im privaten Bereich nur wenig um gesellschaftliche Konventionen scherten.
    Während man sich heute an Frauen in Öffentlichkeit und Politik gewöhnt hat, fällt es noch immer schwer, Frauen im Zusammenhang mit verübter Gewalt zu betrachten – Frauen nicht nur als Opfer, sondern auch als Täterinnen zu sehen. Männer können Helden werden, auch wenn sie Gewalt anwenden. Frauen, die zur Gewalt greifen, gelten als Fanatikerinnen oder Verrückte wie Charlotte Corday. Dass Frauen wie Emmeline Pankhurst oder Emma Goldman den Staat mit Gewalt bekämpfen wollten, löst Unbehagen aus. Derart radikale Frauen machen Angst, steht das Weibliche doch für die friedlichen Mittel in der Auseinandersetzung. Noch beängstigender jedoch sind Frauen wie Phoolan Devi, die auf männliche Gewalt mit massiver Gegengewalt reagierten und damit eine Männerwelt auf den Kopf stellten. Frauen sollen dulden oder sich zumindestmit humanen Mitteln wehren – selbst gegen Inhumanität. Feldzüge für die Gerechtigkeit sollen ihre Sache nicht sein.
    Widerstand zu leisten ist immer mit einschneidenden Konsequenzen verbunden, bei Frauen ist deren Tragweite jedoch ungleich größer. Für Constance Markievicz und Vera Figner bedeutete ihr politisches Engagement den vollständigen Bruch mit ihrem bisherigen Leben. Für sie gilt in extremer Weise das, was für alle hier vorgestellten Frauen gilt: Sie schlugen einen Weg ein, den man ihrer sozialen Herkunft und Sozialisation nach nicht von ihnen erwartete. Doch anstatt sie dafür zu bewundern, begegnete man ihnen mit Skepsis. Menschen, die keine Rücksicht auf ihre Familien nehmen und für ihre politische Überzeugung gar ihre Kinder verlassen, nennt man »Helden«, wenn sie Männer sind, und »Rabenmütter«, wenn es sich um Frauen handelt. Dabei zeigt die Geschichte, dass Frauen, die sich einmal zu einem derartigen Schritt durchgerungen haben, weder durch Gefängnis noch durch Folter von ihrer Mission abgebracht werden konnten. Der Bruch mit Familie, Freunden und Partnern, den Tamara Bunke und Tina Modotti erlebten, konnte sie zu keiner Zeit von ihrem aufrechten Gang abhalten.
    Sicherlich können sie nicht für alle ihre Aktionen unser Verständnis erwarten, manches macht den Umgang mit diesen Frauen schwierig. Auch Frauen sind nicht unfehlbar. Es mag nicht jede Entscheidung akzeptabel sein, eine Gewissensentscheidung war sie trotzdem. Diese Frauen stellten einen hohen moralischen Anspruch an das Leben und an sich selbst und umso interessanter ist es, zu erfahren, wie es innerhalb dieses hohen Anspruches zu gravierenden Fehlentscheidungen und Taten kommen konnte, die diesem Anspruch nicht gerecht werden. Um eine gerechte Bewertung der Akteurinnen leisten zu können, ist es wichtig, sie noch einmal in Selbstzeugnissen zu Wort kommen zu lassen. Durch die Hinterlassenschaft von Briefen, Tagebüchern, Autobiografien, Schriften und Artikeln ist es auch so viele Jahre später möglich, in ihre Gedankenwelt einzutauchen und den Entscheidungsfindungsprozess, der ihrem Handeln vorausging, nachzuvollziehen.
    Es ist offensichtlich: Für Frauen und Männer gelten in der Politik nicht dieselben Maßstäbe. Um wahrgenommen zu werden, müssen Frauen nicht nur besser, sondern auch radikaler sein. Lange Zeit standen ihnen nicht die gleichen Mittel zur Verfügung wie Männern, um ihre politischen Ziele umsetzen zu können. Bemächtigten sie sich dieser Mittel, wie öffentlicher Auftritte, Provokationen oder Militanz, stießen sie auf heftige Gegenwehr, deren Überwindung sie radikalisierte und zum Teil auch fanatisierte.
    Doch wie immer man auch zu ihnen stehen mag, eines ist unbestritten: Sie waren charakterfest, geradlinig und von unbeugsamem Willen. Ihr Einsatz verfolgte stets ein höheres Ziel. Der Wille zur Macht, der männliches Engagement zumeist bestimmt, fehlte ihnen gänzlich.
    Für Leserinnen und Leser von heute mögen die Porträts
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