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Streitbare Frauen

Streitbare Frauen

Titel: Streitbare Frauen
Autoren: Michaela Karl
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von anderen, die in die Freiheit wollen, genutzt. Am Ende ihres Lebens verrät Harriet Tubman zwar einige Einzelheiten, jedoch so sparsam, dass der genaue Weg tatsächlich ein Geheimnis bleibt. Gesichert ist nur, dass sie über das Hilfsnetzwerk der Sklavenbefreiung, die legendäre Underground Railroad, flieht. In dieser um 1830 gegründeten Vereinigung haben sich freie Sklaven und Gegner der Sklaverei zusammengeschlossen, um Sklaven aus den Südstaaten den Weg in die Freiheit zu ermöglichen. Viele Quäker, die zu den aktivsten Abolitionisten gehören, befinden sich in ihren Reihen. Ihren Namen soll die Underground Railroad der Legende nach 1831 von einem Sklavenhalter aus Kentucky erhalten haben, der einen flüchtenden Sklaven aus den Augen verloren hatte und dies mit den Worten kommentierte, dass dieser wohl mit einer unterirdischen Eisenbahn unterwegs sein müsse. Die Aktivisten der Underground Railroad, deren Namen größtenteils ein Geheimnis blieben, bieten auf verschiedenen Strecken in den Norden Flüchtenden Unterkunft, Verpflegung, Transport, Führung und vieles mehr.
    Harriet Tubman findet wohl in einer Quäkergemeinde in der Nähe ihrer Plantage Unterschlupf, ehe sie auf einem der von den Abolitionisten angelegten Fluchtwege in die Freiheit gelangt. Höchstwahrscheinlich nimmt sie die Route entlang des Choptank River durch Delaware nach Pennsylvania. Die 145 Kilometer lange Route stellt einen Fußmarsch zwischen fünf Tagen und drei Wochen dar. Da sie nicht gesehen werden darf, muss sie den Großteil der Strecke nachts zurücklegen. Der Polarstern dient ihr als Orientierungshilfe. In ständiger Angst vor den vielen Sklavenfängern, die gegen hohe Belohnungen entlaufene Sklaven einfangen und zurückbringen, kämpft sie sich vorwärts. Hilfe bieten ihr die unzähligen Streckenpostender Underground Railroad, die unter Lebensgefahr entlaufene Sklaven verstecken. Sie sind mutig, geschickt und einfallsreich. Eine Frau lässt Harriet einmal tagsüber ihren Hof kehren, nur um den Eindruck zu erwecken, sie sei eine Hausangestellte. In der darauf folgenden Nacht bringt die Familie sie dann auf ihrem Wagen zur nächsten Station. Oft muss sie stundenlang in Wäldern und Sümpfen ausharren, ehe sie sich im Schutz der Dunkelheit erneut auf den Weg machen kann. Nach einer halben Ewigkeit erreicht sie schließlich die Staatsgrenze nach Pennsylvania: »Als ich merkte, dass ich die Grenze überschritten hatte, schaute ich auf meine Hände, um zu sehen, ob ich immer noch dieselbe Person war. Es war alles so herrlich; die Sonne schimmerte wie Gold durch die Bäume und über die Felder und ich fühlte mich, als wäre ich im Himmel.« 5 Es ist geschafft. Nach all den Jahren ist sie endlich frei.
    Sie lässt sich in Philadelphia nieder, doch die neu gewonnene Freiheit macht sie nicht glücklich: »Es gab niemanden, der mich im Land der Freiheit willkommen hieß. Ich war eine Fremde in einem fremden Land und meine Heimat war immer noch in Maryland, weil mein Vater, meine Mutter, meine Brüder und Schwestern dort waren. Aber ich war frei und sie sollten auch frei sein.« 6
    Während sie sich von den Strapazen erholt, reift in ihr der Gedanke, auch anderen zur Flucht zu verhelfen, allen voran der eigenen Familie. Dabei wird die Situation sowohl für entlaufene Sklaven als auch für deren Befreier immer komplizierter. 1850 verabschiedet der Kongress den Fugitive Slave Act, wonach auch diejenigen Staaten, welche die Sklaverei für ungesetzlich erklärt hatten, verpflichtet sind, bei der Ergreifung entflohener Sklaven zu helfen. Jeder, der einem Sklaven bei der Flucht hilft, hat mit schweren Strafen zu rechnen. Geflohene Sklaven, die sich in vormals sicheren Bundesstaaten niedergelassen haben, müssen damit rechnen, von der Polizei aufgegriffen und zu ihren ehemaligen Besitzern zurückgebracht zu werden. In den ersten drei Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes fliehen jeden Monat 1000 ehemalige Sklaven nach Kanada, dem einzigwirklich sicheren Ort. Das Gesetz führt zu vielen dramatischen Ereignissen, wovon der Fall Margret Garner der aufsehenerregendste ist. Als Margret Garner 1856 in Ohio mit ihrer Familie von Sklavenhaltern aufgegriffen wird, schneidet sie ihrer jüngsten Tochter mit einem Fleischermesser die Kehle durch, um sie vor erneuter Sklaverei zu bewahren. Sie selbst gibt bei der Gerichtsverhandlung an, dass sie lieber singend zum Galgen gehen werde, bevor sie noch einmal ein Leben als Sklavin fristen würde. Ihr
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