Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
bis 10 ist das für meine Begriffe eine glatte 11.

    Ich fuhr quer durch South Dakota in Richtung Osten, vorbei an Rapid City. Eigentlich wollte ich mir auch den Badlands National Park ansehen, aber Nebel und Nieselregen waren inzwischen so stark geworden, dass es mir sinnlos erschien. Zu allem Übel meldete der Wetterbericht im Radio, dass mir ein weiteres Schlechtwettergebiet dicht auf den Fersen war. In den höheren Regionen der Black Hills würde es bald zu schneien beginnen. In Colorado, Wyoming und Montana waren nach den jüngsten Schneefällen bereits viele Straßen wieder gesperrt, unter anderem der Highway zwischen Jackson und Yellowstone. Wäre ich einen Tag später in Yellowstone gewesen, säße ich nun dort fest, und würde ich jetzt nicht durchfahren, musste ich damit rechnen, ein paar Tage in South Dakota festzusitzen.
Auf einer Pechskala von 0 bis 10 würde ich das eine glatte 12 nennen.
    Fünfzig Meilen hinter Rapid City liegt die Kleinstadt Wall, die Heimat von Wall Drug, dem berühmtesten Drugstore im Westen. Dieses Städtchen zu verfehlen war unmöglich, denn innerhalb dieser fünfzig Meilen wurde es ungefähr alle 100 Meter von einer großen Reklametafel angekündigt: STEAKS UND KUCHEN – WALL DRUG, 47 MEILEN; ROASTBEEFSANDWICHES – WALL DRUG, 36 MEILEN; KAFFEE FÜR FÜNF CENT – WALL DRUG, 25 MEILEN, und so weiter. Diese Art der Werbung erinnerte an die chinesische Wasserfolter. Es dauert nicht lange, und die stete Berieselung durch die Reklametafeln hatte das eigene Urteilsvermögen so geschwächt, dass man nicht anders konnte, als die Interstate zu verlassen und dorthin zu fahren.
    Es ist ein schrecklicher Ort, eine der größten Touristenfallen der Welt, aber mir gefiel er, und ich möchte nichts dagegen gesagt haben. Wall Drug wurde 1931 von einem gewissen Ted Hustead aufgekauft. Auf dem Höhepunkt einer Wirtschaftskrise in einer Kleinstadt mit 300 Einwohnern in South Dakota einen Drugstore zu kaufen, muss so ungefähr das Dümmste gewesen sein, was ein Geschäftsmann damals tun konnte. Aber Hustead hatte erkannt, dass Durchreisende in Gegenden wie South Dakota vor lauter Langeweile so begierig auf unterhaltsame Abwechslung sind, dass es ein Leichtes sein würde, sie vom Highway zu locken. Also stellte er jede Menge Schnickschnack auf, etwa einen lebensgroßen Dinosaurier, einen ausgestopften Büffel und eine lange Stange, an der Pfeile die Richtungen und Entfernungen vom Wall Drug zu Städten in aller Welt angaben, nach Paris und Hongkong und Timbuktu. Vor allem verteilte er Hunderte von Reklametafeln über den Highway zwischen Sioux Falls und den Black Hills und füllte seinen Drugstore mit dem exotischsten und umfassendsten Sortiment von Touristenkitsch, das das menschliche Auge je gesehen hat. Und schon bald strömten die Leute in Scharen herbei. Heute nimmt Wall
Drug den größten Teil der Stadt ein und ist von so riesigen Parkplätzen umgeben, dass ein Jumbo-Jet darauf landen könnte. Im Sommer kommen täglich bis zu 20 000 Besucher. Als ich dort eintraf, ging es allerdings wesentlich ruhiger zu. Ich fand sogar einen Parkplatz direkt vor dem Eingang an der Main Street.
    Schwer enttäuscht stellte ich fest, dass Wall Drug nicht, wie ich erwartet hatte, ein übergroßer Drugstore war. Es war vielmehr ein Minieinkaufszentrum mit rund vierzig kleinen Geschäften, in denen es die verschiedensten Dinge zu kaufen gab – Postkarten, Filme, Westernkleidung, Schmuck, Cowboystiefel, Nahrungsmittel, Gemälde und Souvenirs in rauen Mengen. Ich kaufte eine sehr hübsche Petroleumlampe in der Form des Mount Rushmore. Der Docht und das Glas, das ihn umgibt, wachsen direkt aus dem Kopf von George Washington. An der Unterseite steht Made in Japan, und die vier Präsidenten haben einen entschieden asiatischen Zug um die Augen. Es gab noch viele andere Geschenke und Andenken dieser Art, aber keines war so schön wie dieses. Leider fand ich keine Baseballmützen mit Plastikkacke auf dem Schirm. Kinder machen einen großen Teil der Kundschaft von Wall Drug aus, daher sind derartige Dinge hier fehl am Platz. Schade, schade, denn dies war der vermutlich letzte Souvenirladen an meiner Reiseroute. Ein Traum mehr, der auf ewig unerfüllt bleiben würde.

28
    Ich fuhr und fuhr, quer durch South Dakota. Mein Gott, was für ein öder, leerer Staat. Sie können sich nicht vorstellen, wie einsam und verlassen man sich in diesem endlosen gelben Grasland vorkommt. Es ist, als unterwerfe man sämtliche Sinnesorgane
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher