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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Autoren: Bill Bryson
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Männer, die immer zu Streichen aufgelegt sind und mit Vorliebe Kellnerinnen in den Hintern kneifen. Sie betrinken sich gern und lassen mit Wasser gefüllte Ballons aus Hotelfenstern fallen. Ihre Vorstellung von Humor trifft man am ehesten, wenn man sich die flache Hand unter die Achsel presst und furzähnliche Geräusche erzeugt. Ein Shriner ist leicht zu erkennen, denn er trägt stets einen roten Fes und zwei ungleiche Socken. Angeblich tun sich die Shriner zusammen, um Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln. Wenigstens erzählen sie das ihren Frauen. Hier zwei Zahlen, die die Dinge in ein anderes Licht rücken: Laut Harper’s Magazine belief sich der von ihnen 1984 aufgebrachte Geldbetrag auf 17,5 Millionen Dollar; davon haben sie ganze 182 000 Dollar karitativen Einrichtungen zukommen lassen. Mit einem Wort, Shriner tun sich nur aus einem Grund zusammen – um sich danebenzubenehmen. So erklärt sich die Unruhe, die mich bei der Aussicht überkam, inmitten einer Gruppe von fünfzig kahlköpfigen
Männern zu Abend zu essen, die mit Butterklumpen um sich werfen und sich gegenseitig die Speisekarten in Brand stecken.
    Die Wirtin kam auf mich zu. Sie kaute auf einem Kaugummi herum und sah nicht gerade freundlich aus. »Sie wünschen?«, fragte sie.
    »Ich möchte zu Abend essen.«
    Unschön ließ sie ihren Kaugummi knacken. »Wir haben geschlossen.«
    Ich staunte. »Ihr Lokal sieht aber ziemlich geöffnet aus.«
    »Das ist eine geschlossene Gesellschaft. Die haben das Restaurant heute Abend reserviert.«
    Ich seufzte. »Ich kenne mich hier nicht aus. Können Sie mir sagen, wo es in der Stadt ein anderes Restaurant gibt?«
    Sie grinste und freute sich offensichtlich über die schlechte Nachricht, die sie für mich hatte. »Wir sind das einzige Restaurant in Sundance.« Einige über das ganze Gesicht strahlende Shriners an einem Tisch in der Nähe verfolgten mein zunehmendes Unbehagen mit einfältiger Heiterkeit. »Versuchen Sie’s an der Tankstelle weiter unten an der Straße«, fügte die Dame hinzu.
    »Die Tankstelle hat einen Imbiss?«, wollte ich wissen. »Nein, aber Chips und Süßigkeiten sind zu kaufen.«
    »Ich glaub’s einfach nicht«, murmelte ich.
    »Oder fahren Sie eine Meile über den Highway 24 stadtauswärts. Dann kommen Sie zu einem Tastee-Freez Drive-in.
    Na großartig. Das war ja zu schön, um wahr zu sein. Die Frau teilte mir soeben mit, dass ich an einem Samstagabend in Sundance, Wyoming, nichts anderes zu essen bekommen würde als Kartoffelchips und Eiskrem.
    »Wie sieht’s in anderen Städten aus?«, fragte ich sie.
    »Vielleicht finden Sie was in Spearfish. Das liegt einunddreißig Meilen entfernt an der Route 14 hinter der Staatsgrenze, in South Dakota. Aber da gibt’s auch nicht viel.«

    Wieder grinste sie, als wäre sie stolz, in einem so beschissenen Kaff zu leben.
    »Besten Dank. Sie waren mir eine große Hilfe«, sagte ich mit übertriebener Freundlichkeit und ging hinaus.
    Und da haben wir den Unterschied zwischen dem Mittleren Westen und dem Westen, meine Damen und Herren. Die Menschen im Mittleren Westen sind nett. Im Mittleren Westen hätte die Wirtin es nicht übers Herz gebracht, mich hungrig vor die Tür zu schicken. Sie hätte in der hintersten Ecke des Restaurants einen Tisch für mich gefunden oder mir zumindest ein paar Roastbeef-Sandwiches und ein Stück Apfelkuchen mit auf den Weg gegeben. Und die Shriner hätten mir gern an einem ihrer Tische ein wenig Platz gemacht, egal wie beschränkt sie sonst auch sein mögen. Vermutlich hätten sie sogar ihre Buttergeschosse mit mir geteilt. Die Menschen im Mittleren Westen sind gute Leute, und sie sind freundlich zu Fremden. Aber hier, in Sundance, war die Freundlichkeit der Mitmenschen noch winziger als das Hirn eines Shriners.
    Ich trottete die Straße entlang, in Richtung Tastee-Freez. Ich war schon eine ganze Weile gegangen, hatte das letzte der Häuser hinter mir zurückgelassen, und noch immer keine Spur von einem Tastee-Freez. Also kehrte ich um und latschte in die Stadt zurück. Ich wollte den Wagen holen, aber unterwegs verging mir die Lust. Für diese Läden habe ich noch nie viel übrig gehabt. Wahrscheinlich war es die Schreibweise von freeze, die mich abschreckte. Wie soll man auch einer Firma vertrauen, die nicht einmal in der Lage ist, ein einsilbiges Wort richtig zu schreiben. Ich ging zur Tankstelle und kaufte für sechs Dollar Kartoffelchips und Süßigkeiten und zog mich auf mein Zimmer zurück. Ich warf mich
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