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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Autoren: Bill Bryson
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befriedigen, dass das Schlangestehen das Vergnügen eher steigert. Natürlich will man nicht immer auf sein Essen warten müssen, aber einmal in der Woche zwanzig Minuten anstehen, das hat sogar einen gewissen Reiz. Was die Wartezeiten mit verursacht ist der Umstand, dass es allein dreißig Minuten dauert, bis die Kellnerin eine einzige Bestellung aufgenommen hat. Als Erstes gilt es zu klären, ob man sein Frühstücksei von einer oder von beiden Seiten angebraten, gerührt, pochiert, gekocht oder als Omelett serviert haben möchte. Entscheidet man sich für ein Omelett, steht man nun vor der Frage, ob es ein einfaches Omelett, ein Käseomelett, ein Gemüseomelett, ein pikantes Omelett oder ein Schokoladen-Nuss-Omelett sein soll. Dann will die Kellnerin wissen, ob man Weizen-, Roggen-, Vollweizen- oder Sauerteigtoast oder Pumpernickel bevorzugt und ob man darauf Schlagrahm, Butter oder cholesterinarmen Butterersatz streichen möchte. Nun beginnt eine Phase komplizierter Verhandlungen, in deren Verlauf man die Kellnerin fragt, ob es möglich sei, statt des Zimtbrötchens Cornflakes und statt der Pastete Würstchen zu bekommen, woraufhin sich die gerade sechzehnjährige und nicht besonders clevere Kellnerin zum Manager begibt und sich nach der Durchführbarkeit dieser Wünsche erkundigt, um dann mit der Antwort zurückzukommen, dass es leider nicht möglich sei, Cornflakes statt Zimtbrötchen zu servieren, dass man dem Gast aber sehr wohl Pommes frites statt Pfannkuchen und ein Milchbrötchen mit Speck statt Vollweizentoast anbieten könne, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er zusätzlich gebratene Kartoffelstreifen und ein großes Glas Orangensaft bestellt. Da sich der Gast damit nicht einverstanden erklären kann und nun doch lieber Waffeln bestellt, muss die Kellnerin alles bisher Notierte mit ihrem Radiergummiklümpchen ausradieren und
noch einmal von vorn beginnen. Und währenddessen wird die Schlange auf der anderen Seite der Please-Wait-to-Be-Seated-Tafel länger und länger, doch das kümmert die Wartenden nicht, denn das Essen riecht so gut, und überhaupt hat die Warterei ja sogar einen gewissen Reiz.
    Voller prickelnder Vorfreude folgte ich dem Highway 24 durch das hügelige Land. Innerhalb der nächsten zwanzig Meilen würde ich durch drei Ortschaften kommen, und ich war sicher, dass in einer von ihnen ein Restaurant am Straßenrand stehen würde. Ich befand mich kurz vor der Grenze von South Dakota. Das Land der Viehzüchter lag fast hinter mir, während sich vor mir herkömmliches Farmland ausbreitete. Und da Farmer nun einmal nur da leben können, wo alle paar Meilen ein Restaurant am Straßenrand steht, war ich sicher, dass ich gleich hinter der nächsten Kurve eines finden würde. Eine Ortschaft nach der anderen flog an mir vorbei – Hulett, Alva, Aladdin –, aber weit und breit war kein Restaurant in Sicht, nur schlafende Häuser. Nichts rührte sich. Was war das für eine merkwürdige Gegend? Farmer sind selbst sonntags schon im Morgengrauen auf den Beinen. Hinter Beulah kam ich durch das größere Städtchen Belle Fourche, dann durch St. Onge und Sturgis, und noch immer rührte sich nichts. Nicht einmal eine Tasse Kaffee konnte ich trinken.
    Schließlich erreichte ich Deadwood, ein Städtchen, das vor allen Dingen der ersten Silbe seines Namens gerecht wurde. Nachdem man in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den Black Hills auf Gold gestoßen war, zählte Deadwood für einige Jahre zu den lebendigsten und berühmtesten Städten des Westens. Es war die Heimatstadt von Calamity Jane. Wild Bill Hickock wurde in einem hiesigen Saloon beim Kartenspiel erschossen. Heute verdient sich die Stadt ihren Lebensunterhalt, indem sie Touristen säckeweise Geld abknöpft und ihnen dafür kitschige Souvenirs für ihren heimischen Kaminsims andreht. Fast jedes Geschäft an der Hauptstraße war ein Souvenirladen,
von denen mehrere auch an diesem Sonntagmorgen geöffnet waren. Ich entdeckte sogar ein paar Cafés, doch die waren geschlossen.
    Ich betrat die Golden Nugget Trading Post und sah mich um. Es war ein riesiger Raum, in dem es nichts als Souvenirs zu kaufen gab – Mokassins, mit Perlen bestickte indianische Taschen, Pfeilspitzen, Klumpen von Narrengold, indianische Puppen. Ich war der einzige Kunde. Da mich nichts in diesem Laden interessierte, ging ich in den World Famous Prospectors Gift Shop ein paar Türen weiter, wo das Angebot aus exakt demselben Zeug zu exakt denselben Preisen
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