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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten
Autoren: Joe R. Lansdale
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selber im Berg zu graben«, sagte sie. »An die Geistergeschichten glaub ich nicht. In der Grube gibt es nichts außer Silber. Die haben das alles bestimmt nur erfunden, damit sie nachts in Ruhe arbeiten können. Ich war auch mal nachts da oben und hab gehört, wie sich in der Mine und in den Büschen drumherum was regte. Mir kam’s so vor, als würd mich jemand beobachten, also bin ich abgehauen. Wenn ich einen Partner hätte, einen mit ’ner Waffe, der keine Angst kennt, einen, der mir den Rücken freihält, würd ich in die Grube steigen und ein bisschen graben. Da oben sind ein paar hässliche Morde vorgefallen. Ein Haufen Leute wird vermisst. Allein hat man da oben keine Chance.«
    »Wie hässlich waren die Morde?«
    »Hässlich genug. Abgehackte oder abgerissene Köpfe. Ich nehm an, die haben einen Hund da oben, der das macht.«
    »Tja, Lady, da in dem Schacht ist etwas, aber es sind keine Bergarbeiter. Jedenfalls nicht die Sorte, die Sie meinen.«
    »Gehen Sie da hoch?«
    »Ja, das werde ich tun.«
    »Da wär ich gern dabei, Reverend. Ich könnte mich nützlich machen. Ich glaub nicht, dass da oben was ist, aber die Leute hier scheißen sich in die Hosen wegen der Gnome, wie sie sagen. Das ist doch Quatsch. Die Bergarbeiter wollen den anderen nur Angst machen, damit sie das Silber für sich allein haben. Und einen Hund haben sie auch. So seh ich die ganze Sache. Das ist nur fauler Zauber, Reverend.«
    »Vielleicht.«
    »Hören Sie, ich hab ein gutes Versteck, wo Sie bleiben können. Das ist das Einzige, was mir hier geblieben ist. Da gibt’s noch Bohnen, die ich hab mitgehen lassen, und etwas Biberfleisch. Das ist zwar schon ein bisschen grünlich, aber zum Kochen geht’s noch. Ich erwarte nichts von Ihnen. Nur Gesellschaft. Ich halt Ihnen den Rücken frei und Sie mir meinen. Und wir schauen, ob wir da oben etwas Silber finden können.«
    »Abgemacht, Lady«, sagte Jebidiah und streckte die Hand aus.
    »Ich bin keine Lady, aber abgemacht ist abgemacht«, sagte sie und schüttelte ihm die Hand.
    Nachdem das Pferd gefressen hatte, ritten die beiden eine gewundene Straße hinauf in den dunklen Kiefernwald. Jebidiah fragte sich, ob es töricht war, der dicken Frau zu vertrauen. Andererseits wollte er sowieso hier hinauf. Er wollte sich die Mine und das, was dort lauerte, genauer ansehen.
    »Wieso bleiben die Leute hier«, fragte er, »wenn solche Dinge passieren?«
    »Viele sind ja schon abgehauen. Die, die geblieben sind, hoffen, dass sich was ändert, dass sie irgendwann genug Mumm in den Knochen haben, um da oben nach Silber zu graben. Einige reden jeden Tag davon, aber sobald es dunkel wird, verstecken sie sich wie die Kaninchen in irgendwelchen Löchern. Andere verdienen ihr Geld eher von den Bergarbeitern als im Bergwerk, und der Rest ist, wie ich auch, vielleicht einfach zu dusselig, woanders hinzugehen. Und einige, nehm ich an, erschrecken die anderen und bringen sie um, damit sie nachts in Ruhe in der Mine graben können.«
    »Haben Sie in Ihrem Domizil etwas zu trinken?«
    »Wenn keiner eingebrochen ist und es geklaut hat. Der alte Butch passt drauf auf, und um an den Alkohol zu kommen, müssten sie ihn erschießen.«
    »Butch?«
    »Mein Hund. Der ist fieser als ein Wolf, dem ein Stock im Arsch steckt. Aber für mich tut er alles, was ich will, außer mir den Rücken zu massieren.«
    »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Meine Mama, Gott sei ihrer Seele gnädig, hat mich gleich nach der Geburt und bevor sie verschwunden ist, Flower getauft, und dabei ist es geblieben. Ich nehm ihr nicht übel, dass sie abgehauen ist. Papa und meine ganzen Brüder, die sind nichts als Scheiße, die der Welt unten an der Schuhsohle klebt. Die waren nicht viel besser als meine Vettern, die Sie umgebracht haben.«
    Das Pferd hatte ordentlich zu tun, weil es außer Jebidiah noch das nicht unerhebliche Gewicht von Flower tragen musste. Hinter einigen Bäumen versteckt und an einem schmalen Trampelpfad gelegen, befand sich Flowers Zuflucht. Es war nicht auf Anhieb zu erkennen, dass dort eine Höhle war. Vor dem Loch hing eine Decke, die oben mit Seilen an einem Vorsprung festgebunden und außerdem mit Holzpflöcken im Boden verankert war. Ein Hund bellte. Er klang groß genug, um einen jungen Ochsen zu verspeisen.
    Der Reverend hielt das Pferd an, und Flower sprang hinunter. »Bleiben Sie besser hier, bis ich Butch beruhigt hab. Ich war ’ne Weile weg, also wird er ziemlich aufgeregt sein. Ich muss ihn ein bisschen
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