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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten
Autoren: Joe R. Lansdale
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hätscheln. Ich ruf Sie, wenn ich ihn so weit hab. Manchmal muss ich ihm einen runterholen, um ihn in die richtige Stimmung zu bringen.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Das hat er gern«, sagte Flower.
    »Dann rufen Sie mich aber erst, wenn Sie diese gute Tat vollbracht haben«, sagte der Reverend.
    Flower schlüpfte hinter die Decke, und der Hund hörte auf zu bellen. Eine ganze Minute verging, bevor sie rief: »Alles klar, Sie können kommen.«
    Der Reverend band sein Pferd an einen Busch und trat hinter die Decke, eine Hand auf seinem Revolver. In der Höhle war es sehr geräumig, aber es roch noch schlimmer als Flower selbst, denn zu ihren Ausdünstungen kamen noch die Gerüche alter Mahlzeiten und der Gestank des Hundes – ein schwarzes Ungeheuer mit einem Gesicht, das von zahlreichen Narben entstellt war. Eins seiner Ohren war zur Hälfte von irgendetwas abgefressen worden. Die dunklen Augen des Tiers ruhten wie Gewehrläufe auf dem Reverend.
    »Braves Hundchen«, sagte der Reverend.
    »Ach, an dem ist nichts brav. Nur bei mir macht er eine Ausnahme. Zu mir ist er lieb. Er kann den Stiel einer Hacke so leicht durchbeißen, wie wir ein Stück Brot zerkauen. Und er ist ein schneller Läufer. Verdammt, er besteht aus nichts als Muskeln.«
    »Das sehe ich.«
    »Ist schon okay, ich hab ihn beruhigt, und er weiß, dass ich Sie reingelassen hab.«
    »Mussten Sie ... Sie wissen schon ...«
    »Oh. Nein, er war in ganz guter Stimmung. Sie können ihn streicheln.«
    »Ich will ihn gar nicht streicheln.«
    Flower grinste so breit, dass Jebidiah ihre kohlrabenschwarzen Backenzähne sehen konnte. Die würden ihr irgenwann ziemlich wehtun.
    »Aber ich sollte mein Pferd striegeln«, sagte der Reverend. »Ich lasse es nur äußerst ungern so allein da draußen.«
    »Als ich noch ein Pferd hatte, hab ich ein Gehege und einen Stall mit ’nem guten Dach drauf gebaut. Der steht noch, da können Sie Ihr Pferd unterstellen. Hinter dem Felsvorsprung, gleich vor meiner Behausung.«
    Abends kochte Flower etwas Fleisch über dem Feuer, und die Rauchschwaden wurden so dicht, dass sie die Decke zurückzog und ihn abziehen ließ. Es gab Biberfleisch und aufgewärmte Bohnen. Durch die Höhle floss Wasser aus einer kleinen Quelle, man musste also nur etwas davon in den Topf kippen und alles ordentlich durchkochen.
    Die Bohnen waren nicht übel und das Fleisch einigermaßen frisch, mit nur wenigen Maden drin.
    Flower hackte Holz, schlug die Axt dann in einen Holzklotz, den sie herbeigeschleift hatte, und setzte sich auf einen anderen. Der Reverend zog eine kleine abgenutzte Bibel mit einem silbernen Kreuz auf dem Buchdeckel aus seiner Tasche und legte sie sich auf den Schoß.
    »Spendet Ihnen das Trost?«, fragte sie.
    »Nein, es hat mich nur in der Tasche gedrückt. Ein Buch über Mord, Inzest, Vergewaltigung und Tieropfer finde ich nicht besonders tröstlich. Aber ich glaube, es hat eine gewisse Macht über mich, über uns alle.«
    »Steht da drin nicht was von Jesus, was nicht so scheußlich ist?«
    »Er wurde ans Kreuz genagelt. Ich finde das scheußlich. Und davor hätte er eine andere Einstellung und einen großen Knüppel gebraucht. Er ist ganz schön herumgeschubst worden.«
    »Sie haben’s nicht so mit der Erlösung, was?«
    »Wenn sie mit Feuer und Schwert daherkommt, dann schon. Ich glaube, darum geht es bei Gott. Das Alte Testament. Er tut Dinge nicht, weil sie richtig sind, sondern weil er es kann.«
    »Das ist aber nichts, was ich glauben will.«
    »Ums Wollen geht es dabei nicht.«
    Der Reverend nahm die Bibel in die Hand und hielt sie hoch. »Es ist ein mächtiges Buch. Allein das zählt.«
    Er schob das Buch in die Manteltasche zurück, wandte sich dann dem Feuer zu und lauschte dem Knistern und Knacken.
    »Wir könnten uns mit Laternen bewaffnen und zur Mine gehen, wenn Sie wollen«, sagte Flower.
    »Wem gehört die Mine eigentlich?«
    »Der Wood Silver Company. Die Bergarbeiter sollen eigentlich am Gewinn beteiligt werden, aber da niemand mehr hier ist, der irgendwas aufschreibt, stecken die Arbeiter alles in die eigene Tasche. Die Wood Company kriegt einen Scheißdreck. Ich sage, wir trinken was von der Teufelspisse und sehen uns dann da oben mal um.«
    »Teufelspisse?«
    »Whisky. Und wenn Sie vorher noch ’n bisschen Spaß mit mir haben wollen, hab ich auch nichts dagegen.«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Weil ich fett und hässlich bin?«
    Natürlich auch deswegen, aber der Reverend sagte: »Nein, ich möchte nur
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