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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten
Autoren: Joe R. Lansdale
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sein würde, noch bevor er ganz durch die Tür des Gebäudes getreten wäre. Entweder weil jemand damit fortreiten oder es in Stücke schneiden und aufessen würde.
    Er machte das Pferd wieder los und führte es auf die kleine Veranda vor dem Haus, öffnete die Tür und zog das Tier hinein, wobei er einen Blick zurück auf die versammelten Bergarbeiter warf, die sich enttäuscht abwandten und mit herabhängenden Schultern wieder dorthin zurückkehrten, woher sie gekommen waren.
    Der üble Geruch draußen kam dem Reverend im Haus plötzlich wie Parfum vor. Der Gestank war grässlich. Überall an den Wänden standen Feldbetten, auf denen Bergarbeiter lagen, manchmal auch Frauen, und manchmal Männer, die die Frauen bestiegen. Über zwei Fässer war eine Bohle gelegt worden, und dahinter saß auf einem weiteren Fass ein Mann mit einem Hut, der nur noch aus Löchern bestand – noch ein Loch mehr, und es wäre kein Hut mehr gewesen. Das Gesicht, das unter dem Hut zum Vorschein kam, sah aus, als wäre es mit einer Axt geschnitzt worden.
    Der Reverend führte sein Pferd zur Bohle hinüber, und der Mann dahinter sagte: »Sie können das Pferd hier nicht reinbringen.«
    »Natürlich kann ich das, ich hab’s doch schon getan«, sagte der Reverend.
    »Aber Sie können es nicht mit reinnehmen.«
    »Wenn ich sage, dass ich das kann, dann kann ich das. Wenn Sie das Pferd hier nicht haben wollen, müssen Sie mich rauswerfen, und mein Pferd mit mir.«
    »Das lässt sich machen.«
    »Aber nicht von Ihnen.«
    »Nee, von denen.«
    Der Reverend schaute in die Richtung, in die der Mann deutete. Zwei Männer kamen auf ihn zu, die so fett waren, dass sie, wenn man sie ausgeschmolzen hätte, die ganze Stadt New York mit Schmalz versorgt hätten. Der eine hatte nicht genug Hemd am Leib, um seinen Bauch zu bedecken, und der andere hatte nicht genug Hose, um seine Knöchel zu bedecken.
    »Die sorgen dafür, dass sich hier keiner besonders schlau vorkommt«, sagte der Mann hinter der Bohle.
    »Von mir abgesehen bezweifle ich, dass man sich hier drin über einen plötzlichen Anstieg von Intelligenz Sorgen machen muss«, sagte der Reverend.
    »Was zur Hölle soll das denn bedeuten?«
    »Schlafen Sie mal drüber«, sagte Jebidiah.
    Er drehte sich um und schaute die großen Kerle an, ließ die Zügel des Pferdes los und rief: »Ich würde genau hier stehen bleiben. Noch mal sag ich das nicht.«
    Der Mann mit dem zu kleinen Hemd grinste und zeigte dem Reverend, dass er keine Zähne mehr hatte. »Sie machen uns keine Angst.«
    »Sollte ich aber«, sagte der Reverend.
    Der Dicke zog ein Klappmesser aus seiner Tasche und öffnete es mit einer geübten Handbewegung.
    Der Reverend zog den 36er Navy und schoss ihm in den Bauch, der unter dem Hemd hervorlugte. Ein guter Schuss, er hatte genau den Bauchnabel getroffen. Der Dicke kippte um und wälzte sich im Sägemehl und den menschlichen Exkrementen. Dabei stieß er gegen eins der Feldbetten, das umkippte. Der Mann, der darin gelegen hatte, landete auf seinem Hintern. Er sprang auf und trat dem schreienden Kerl, dem Jebidiah in den Bauch geschossen hatte, zweimal gegen den Kopf.
    »Kann man hier nicht mal in Ruhe schlafen?« Dann sah er den Reverend mit dem rauchenden Revolver vor sich stehen, hörte auf zu fluchen und erstarrte. Der andere fette Kerl war wie angewurzelt stehen geblieben, ein Hochwasserhosenbein vor das andere gesetzt, das Knie halb gebeugt.
    »Ich hoffe, mein Schuss hat Sie nicht aus dem Schlaf geschreckt«, sagte Jebidiah zu dem Mann, der aus dem Feldbett gerutscht war, und sah sich dann im Raum um. Auch andere waren von dem Schuss und den Schreien des sterbenden Bergarbeiters wach geworden.
    »Er hat übrigens einen Bauchschuss«, sagte der Reverend und deutete mit dem Revolver auf den Kerl am Boden. »Er hat noch einen langen Weg vor sich, bevor die Falltür sich öffnet und er nach unten fällt. Jemand sollte ihm den Gefallen tun und etwas nachhelfen.«
    »Verdammt«, sagte der Mann mit den Hochwasserhosen und setzte endlich wieder sein Bein auf den Boden. »Das da ist mein Bruder!«
    »Haben Sie noch andere Geschwister?«, fragte der Reverend.
    Der Kerl schaute zu, wie sein Bruder sich auf dem Boden wälzte, dann sah er den Reverend an. »Was?«
    »Sie haben mich schon verstanden.« Jebidiah ließ den Blick durch den Raum schweifen, während er sprach, nur für den Fall, dass ihn jemand auf die Probe stellen wollte.
    »Er ist mein einziger lebender Verwandter.«
    »Dann sind Sie
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