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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne
Autoren: Brigitte Riebe
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betrifft«, fuhr er fort und deutete auf die Skizze, die Camino ihm gegeben hatte, »solche Ringe trägt man nicht. Ein Goldband in der Mitte, das zwei Steine voneinander trennt! Das entspricht nicht der Mode und verstößt gegen jedes mir bekannte Gesetz der Goldschmiedekunst.«
    »Eben«, sagte Camino. »Genau deswegen möchte ich zwei davon haben, die einander gleichen sollen wie ein Ei dem anderen. Wann kannst du damit fertig sein?«
    »Ich kann dir nicht garantieren, dass es gelingt«, sagte der Goldschmied mürrisch. »Das Risiko liegt ganz bei dir. Sollten die Edelsteine brechen, womit nach menschlichem Ermessen zu rechnen ist, sind sie wertlos. Wenn du es vielleicht noch einmal überdenken willst?«
    »Wann? Sagen wir, bis übermorgen?«
    »Du bist närrisch! Dann müssten wir ja Tag und Nacht daran arbeiten ...« Er verstummte, als er die schweren Silbermünzen sah, die plötzlich auf dem Tisch vor ihm lagen.
    »Übermorgen?«, wiederholte Camino unbeirrt.
    »Also gut. Ich werde mit dem Schleifer reden.« Der Goldschmied schien sich einen Ruck zu geben. »Meinethalben übermorgen.«
    »Ich danke dir«, sagte Camino. »Ich danke dir von Herzen. Du weißt nicht, was es für meine Familie bedeutet.«
    *
    »Ich habe Angst«, sagte Pilar, als sie sich vor ihm die enge Treppe hinauftastete. »Was hast du vor? Warum müssten wir in aller Frühe hierher kommen?«
    »Das wirst du gleich erfahren«, sagte Camino.
    Meister Zacharias kam ihnen entgegen und führte das Mädchen in sein Zimmer.
    »Komm zum Fenster«, sagte er. »Damit ich mir ein Bild machen kann. Ich will deine Augen untersuchen.«
    »Wozu?« Mit einem Mal zeigte Pilar nur noch Abwehr. »Ich bin blind. Und werde immer blind bleiben.«
    »Wie wäre es, wenn du mich erst nachsehen ließest?«
    Er untersuchte zuerst das eine, dann das andere Auge.
    »Hör zu, Pilar«, sagte er. »Ich kann versuchen, den Grauen Star zu stechen, der dich blind gemacht hat. Aber ich bin keiner dieser Pfuscher, die von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen und ihre Künste anpreisen. Wunder kann ich keine versprechen. Die Operation ist ebenso schmerzhaft wie riskant. Willst du hören, wie sie vor sich geht?«
    Sie nickte.
    »Mit einer speziellen Lanzette werde ich durch den oberen Teil der Hornhaut in die Pupille stechen und damit die getrübte Linse nach unten in die vordere Augenkammer drücken.«
    Er sah, wie sie zusammenzuckte.
    »Ich verstehe, dass du Angst hast. Es gibt keine Garantie für ein Gelingen. Das musst du wissen. Manche Patienten sehen auch danach nur verschwommen. Andere bleiben trotz aller Anstrengungen blind. Aber du kannst mir vertrauen. Ich habe diesen Eingriff schon viele Male vorgenommen.«
    »Santiago konnte mich nicht sehend machen«, sagte sie heftig. »Und er ist ein Heiliger. Warum solltest dann ausgerechnet du es können?«
    Er berührte sanft ihre Wange.
    »Es ist mir nicht bekannt, dass Santiago die Schule von Salerno besucht hätte«, sagte er mit einem kleinen Lächeln. »Vorausgesetzt natürlich, du meinst jenen Heiligen, der hier in seiner Krypta ruht. Aber ich war dort. Jahrelang. Wollen wir es also versuchen?«

 
FINIS TERRAE
     
    Das Kreischen der Möwen über ihr.
    Mit einem Anflug von Neid hob Pilar den Kopf. Sich schwerelos wie sie in die Lüfte schwingen zu können, wie einfach wäre dann der lange Weg zu bewältigen gewesen! Beim Aufwachen hatten sich Nebelstreifen über ihr Gesicht gelegt. Aber jetzt spürte sie die Kraft der Sonne, die ihre Haut wärmte. Der Verband über ihren Augen war unangenehm. Seit Tagen schon musste sie ihn ertragen.
    Du wirst nicht erlöst!, flüsterte die hässliche innere Stimme, die sich nicht zum Schweigen bringen lassen wollte. Mach dir nichts vor. Du wirst niemals sehen. Wie sollte ein alter Maure dir helfen können, wenn nicht einmal der Apostel Jakobus dir geholfen hat?
    Hör auf!, befahl sie stumm, sei still! Weshalb kannst du mich nicht in Ruhe lassen?
    Aber die Stimme ließ sich nicht beirren.
    Es wäre doch so einfach. Wieso sperrst du dich? Du bist gleich an der Todesküste angelangt. Dann kannst du deinem Leiden ein Ende bereiten. Es ist nicht besonders schwer. Nur etwas Mut, dann hast du sie, deine lang ersehnte Ruhe.
    Pilar spürte, wie die Kraft in ihren Beinen nachzulassen drohte, und stemmte sich nur um so wütender gegen den Wind. Tief unten hörte sie das Meer donnern. Die Luft roch nach Fisch und Tang. Unter ihr ein Heulen und Gurgeln, als stöhnten tausenderlei Stimmen herauf.
    War sie an
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